Das Loch in der Schwarte
Hier ist es. So sieht es also aus. Das Chaos aus mehr oder weniger intelligentem Leben von unseren Nachbargalaxien. Jede mögliche und unmögliche Lebensform, die aus den Grundelementen zusammengestopft werden kann.
Es ist schwer, dieses Erlebnis zu beschreiben. Eine unserer Schiffsärztinnen kam auf ihrer ersten langen Fahrt hierher, und sie kotzte den ganzen Abend Bindfäden.
»Schlimmer als meine erste Obduktion«, stöhnte sie hinterher.
Viele schaffen es nicht. Es wird einfach zu viel für sie. Man fühlt sich zu Tode erschöpft, das gesamte Körpersystem wird von allen möglichen Grässlichkeiten überschwemmt. Ich kann mich an einen Söldner erinnern, der mit uns getrampt ist. Er prahlte mit allen möglichen Angriffen und Säuberungsaktionen, die er mitgemacht hätte, ermüdendes Psychopathengerede über Mann-gegen-Mann-Kämpfe, Bajonettstiche und Gefangene, die nach eingehenden chirurgischen Eingriffen gezwungen wurden zu reden. Ich war von Anfang an dagegen, ihn mitzunehmen, doch unser Firmenmakler gab grünes Licht, ich bin fest davon überzeugt, dass er bestochen wurde. Und später war ich natürlich derjenige, der als Therapeut am Kontrollarmaturenbrett saß, während der Krieger stundenlang vor seinem Koffeindrink saß und herumlaberte. Er wollte unbedingt mit zum Loch in der Schwarte, obwohl ihn niemand eingeladen hatte, er hätte schon so viel über die Kneipe gehört. Und rein ist er auch gekommen, seine Augen wurden riesig wie fliegende Untertassen. Dann löste sich plötzlich die Schädeldecke bei ihm. Sie platzte einfach, die Knochenstücke knackten leise und bogen sich nach hinten, blieben an der Kopfhaut baumelnd mit Gehirnsubstanz dran klebend hängen. Fiel schließlich doch zu Boden. Der Kämpfer schrie und versuchte das Teil einzufangen, er kroch auf allen Vieren, aber mehrere Fleischwürmer konnten nicht an sich halten, sie schlängelten sich hin und begannen zu mampfen. Als er zum Schluss sein Schädelteil wiederhatte, war es leer, leergegessen wie eine Eierschale. Es gelang uns, den Kerl am Leben zu erhalten, und der Schiffsärztin war es möglich, die Schädelknochen wieder zusammenzufügen. Aber da ein großer Teil seines Kleinhirns aufgefressen war, saß er den Rest der Reise stumm wie ein Fisch da. Ein paar Monate später stieg er am Gordonterminal aus. Es heißt, er hätte dort ein Leben in den Sumpfwäldern begonnen, unter den Vogelläusen und den fliegenden Hunden, er hätte sich auf einem Baum niedergelassen und ernährte sich auf Insektenweise von allem, was er fand.
Viele glauben, das Weltall sei chromglänzend und schick. Besonders, wenn sie zu viele Weltraumfilme gesehen haben. Man glaubt, es gäbe nur gut geschnittene Aluminiumkleidung, bunte Plastikhelme und jede Menge elegant designter Laserpistolen.
In Wirklichkeit ist das Weltall hässlich. Erstaunlich viele Lebensformen haben blasse Farben, sie sind braungelb, graubraun oder zeigen eine beigefarbene Nuance, genau wie wir Menschen. Den allermeisten gemeinsam ist leider ein schrecklich schlechter Kleidergeschmack. Schlabbrig und viel zu groß, in übertrieben grellen Farben – gallegrün mit lila, türkisblau mit orange, Farben, die einen Migräneanfall verursachen können. Und dabei bleiben uns noch all die beißenden ultravioletten und infraroten Varianten erspart, die unter so vielen Lebensformen ach so beliebt sind.
Das Weltall ist also hässlich und benimmt sich schlecht. Doch das gilt nur für den Normalfall. Es ist noch viel, viel schlimmer, wenn das Weltall betrunken ist.
In der Kneipe »Das Loch in der Schwarte« ist das Weltall nicht nur betrunken. Es ist besoffen. Es ist breit. Es ist weggetreten, so verdammt zugedröhnt, dass sich das Innerste nach außen stülpt. Ich sage es dir nur – pass auf, wo du deine Füße hinsetzt. Überall liegen Tentakel und Fetzen kreuz und quer, und wenn deine Stiefel nicht säurefest sind, wird es bald nach dampfenden Käsefüßen riechen. Bei denen, die sich trotz allem noch aufrecht halten, kann man alle möglichen Vergiftungserscheinungen sehen, vom Sabbern übers Kiemenflattern bis hin zu heftigsten Spasmen und Kopfzuckungen. Sicher, es gibt auch im Schwartenloch Umgangsregeln, die Wichtigste besagt, dass man keinen Kneipengast aufessen darf. Und außerdem ist es strengstens untersagt, sich zu prügeln. Aber sag das mal einem bis zur Halskrause abgefüllten Rhinodont mit hundertfünfzig Kilo Muskeln in jedem seiner kolbenhämmernden Armbalken, versuch ihn mal zu
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