Das Loch in der Schwarte
einen Schluck aus meinem Glas und salutiere. Ich weiß nicht, woher sie kommen oder wie ihre Welt aussieht. Aber jetzt haben sie ihren ersten Menschen gesehen. Sie haben uns gesehen, jetzt wissen sie, dass es uns gibt. Jetzt haben wir nicht vergeblich existiert.
Plötzlich bewegt sich der Pfosten in meinem Rücken. Ich zucke zusammen und bitte diese ganz spezielle Lebensform um Entschuldigung, zwänge mich weiter durch das Getümmel. Verschwinde hinaus in das breiige, grunzende Weltall.
Stopp!
Stopp, mein liebes Publikum! Du bist wahrhaft bewundernswert, du bist bereits ein gutes Stück in diesem Buch vorangekommen. Du hast hellhörig diese verwinkelte Prosa aufgesogen, dir deine inneren Bilder geschaffen, Welten und Wunder gemalt, du hast deine reiche Fantasie und deinen scharfen Verstand benutzt, um ein maximales Leseerlebnis zu erreichen. Du bist ganz einfach der perfekte Leser. Du bist der Traum eines jeden Schriftstellers, mit deiner Sensibilität, deinem großen Einfühlungsvermögen und deiner Toleranz, die dich auch für schwere oder geradezu widerwärtige Gedankengänge empfänglich macht. Du urteilst nicht, du verurteilst nicht, du folgst dem Text wie einem fließenden Strom, du lässt dich in bis dato unbekannte Welten einladen, du bist kein Feigling, du bist ein kühner und bewusster Leser, nichts Menschliches ist dir fremd, du bist kein prüder Berührungsphobiker, du weißt, dass das Leben roh und fleischig sein kann, du weichst nicht vor Verbotsschildern zurück, du bekommst kein Bauchweh, du weißt auch die Feinheiten zu schätzen, die kleinen, haarfeinen Riffeln des Windes auf einer Granitwand, den Duft der Bergkuckucksblume auf dem dampfenden Schlachtfeld, den Geschmack von altem Tilsiter an einem Sommermorgen, den Geschmack von Wasser, von reinem, frischem Wasser, das alles hast du in dir, du bist allumfassend, du bist bewundernswürdig, es ist eine Gunst, deine Bekanntschaft machen zu dürfen, es ist ein einzigartiger Vorzug, ich verneige mich vor dir in tiefstem Respekt und höchster Bewunderung …
Aber.
Du bist leider reingelegt worden.
So ist es nun einmal. Du bist an der Nase herumgeführt worden. Tut mir Leid, lieber Leser, du bist total auf den Leim gegangen. Was nur zu bedauern ist, sorry, sorry.
Sorry sorry sorry.
Alles, wirklich alles, was bis jetzt erzählt wurde, ist nämlich gelogen. Es ist erfunden. Es ist reines, hohles Geschwätz. In deiner starken Sensibilität bist du auf einen Bluff nach dem anderen reingefallen, man hat dich ganz einfach manipuliert, dich verwirrt, dich mit einer Menge Blödsinn voll gestopft.
Nicht so einfach, das zuzugeben, nicht wahr? Aber bitte denke dran, es ist nicht mein Fehler. Ich bitte dich, nicht dem Boten die Schuld zu geben, ich tue nur meine Pflicht, ich bin gezwungen, die Wahrheit aufzudecken, wie unangenehm sie auch sein mag.
Und die Wahrheit ist, dass dieses Buch hier zum Himmel stinkt.
Es gibt kein Leben auf anderen Planeten. So ist es nun einmal. Außerhalb der Erde ist es leer. Der Mensch ist das einzige intelligente Wesen unter allen Millionen und Abermillionen von Sternen. Der Gedanke mag für viele schwer zu schlucken sein, ich weiß es, und ich respektiere das. Aber die Wahrheit ist nun einmal die Wahrheit, wie bitter sie auch sein mag.
Der Mensch ist einsam im Universum. Es gibt keine anderen. Da draußen ist es ungemütlich, schrecklich leer. Nur öde Wüsten aus Gas und Materie. Wie laut wir auch rufen, es kommt keine Antwort. Wie weit wir auch reisen, wir werden immer nur uns selbst finden.
Wir werden nie auf andere Wesen stoßen, weil sie ganz einfach nicht existieren. Es gibt keine anderen Gedanken als die des Menschen. Wir sind einzig und allein deshalb die Krone der Schöpfung, weil wir keine Konkurrenz haben. Uns gehört das Universum. Wir sind Herrscher über eine unendlich große Wolke expandierender, toter Materie.
Das mag ziemlich frustrierend erscheinen, ich weiß. Man steht des Abends auf dem Rasen und hat sanft den Arm um die Schulter seiner Tochter gelegt. Vom Grill steigt ein Duft nach Lammkoteletts, Olivenöl, Knoblauch und Soja auf. Darüber werden langsam die Sterne angeknipst.
»Der Orion«, zeigt man. »Cassiopeia. Der Große Wagen, und da oben siehst du den Polarstern.«
»So viele«, flüstert sie entzückt. »So viele Sterne.«
»Es gibt mehr als Grashalme in unserem Rasen. Mehr als Sandkörner in deiner Sandkiste.«
»Und da ist der Mann im Mond!«, zeigt sie, als der anschwellende
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