Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Loch in der Schwarte

Das Loch in der Schwarte

Titel: Das Loch in der Schwarte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mikael Niemi
Vom Netzwerk:
nur um den eigenen Nabel kreist. Zurück blieben allein die außerordentlich literaturkundigen ehemaligen Schriftsteller. Sie glaubten, dass die Sache jetzt endgültig gelaufen wäre. Sie dachten: Ich werde wohl im Supermarkt an der Kasse sitzen müssen.
    Doch dann merkten sie, dass sie gefragt waren. Man brauchte sie. Man riss sich förmlich um sie, gab ihnen Lohnerhöhungen, eine Brille, Gesundheitsschuhe und ein unglaublich hohes Ansehen. Die Schriftsteller wurden verwandelt, aus ihren hässlichen braunen Kokons krochen vergoldete Libellen. Plötzlich flatterten sie an der Spitze der Gesellschaft herum, verehrt, bewundert, von allen innig geliebt.
    Sie waren ganz einfach Bibliothekare geworden.

    Das Loch in der Schwarte

    ie Kneipe »Schwartenloch« auf dem Asteroiden Nugget ist eine der schlimmsten Kaschemmen, in der ein Roader landen kann. Eine Plastikschüssel in Großformat, bis zum Rand gefüllt mit abstoßenden Lebensformen, Glücksrittern, Unsittlichkeit und Schwarzgeld. Mit anderen Worten: Ein Muss für jedes Greenhorn auf seiner Jungfernfahrt.
    Nugget kann man schon aus weiter Ferne wie einen Weihnachtsbaum am Himmel sehen. Hunderte von Erztransportern, Containerklapperkästen, Handelskisten, Überlandbussen und gestohlenen Frachtschiffen, schnelle Flitzer, Mafiayachten, Zollschmuggler, Rockerbüchsen, Satellitenyuppies und die eine oder andere intragalaktische Forschungsexpedition, die Schicht um Schicht wie große, funkelnde Elektronenhüllen um ihn kreisen. Kleine, glänzende Schiffchen sausen zwischen den Fahrzeugen und dem Felsblock Nugget hin und her; diesem groben, rauen Kern mit seinen signalroten, fledermausähnlichen Sonnensegeln. Auf dem Navigations
    schirm kann man sehen, dass die Radarreflektoren den Namen Schwartenloch in altmodischem Neobarockstil formen. Geschmacklos. Und die Besatzung macht sich sofort an die Arbeit. Die gerade erst Aufgetauten sitzen zitternd mit dummem Grinsen im Gesicht da, der Kapitän liest die Warnhinweise, der Steuermann vakuumduscht den schlimmsten Kabinengestank weg, und die Maschinistenmütterchen streifen sich das kleine Schwarze über. Die Greenhorns stehen zögernd dabei, streifen sich ihre Turnschuhe über und spüren, wie die saubere Weltallunterhose im Schritt scheuert.
    Wir bestellen einen Shuttle, und nach langer Wartezeit kommt er, denn unten ist es eng, da steigt die Party. Eine führerlose, versilberte Kompositgurke, in die wir uns hineinzwängen, jemand schiebt den Kreditstreifen rein, und sogleich geht es mit einem Ziehen in der Magengegend los.
    Im Handumdrehen stehen wir unten auf der Plattform. Die Schleuse zischt, und wir klettern hinaus. Es herrscht Medianatmosphäre auf Kohlenwasserstoffbasis, das heißt, dass der Sauerstoffgehalt für uns Erdlinge an der untersten Grenze liegt. Wir schwanken umher wie in dreitausend Meter Höhe und schnappen atemlos nach Luft. Andere Lebensformen bekommen dagegen zu viel Sauerstoff, zwei Panzerkäfer beginnen, sich mit ihren rasiermesserscharfen Deckflügeln zu prügeln, bis sie auf dem Rücken landen, zitternd.
    Schon hier in der Schlange bekommt man zu sehen, was das Universum alles zu bieten hat. Die Vielfalt des Lebens. Es gibt Grünschnäbel, denen wird beim Anblick all dieser fremden Offenbarungen schwindlig, denen wird bereits hier übel, sie fallen um und müssen mit einem feuchten Handtuch über den Augen vom Rettungsshuttle wieder nach Hause gebracht werden. Ich kann sie verstehen. Es ist schlimmer als in den wildesten Träumen.
    Unten auf der Erde glauben die meisten, dass Außerirdische grünen Männchen ähneln. Oder aber Eidechsen. Oder auch, dass Raumwesen ungefähr wie wir Menschen aussehen, um einfacher ihre hinterhältigen Attacken auf die Erdbewohner in den Fernsehserien ausführen zu können. (Vermutlich auch, damit die Filmproduzenten nicht ein Vermögen in schwer herzustellende Gummimasken investieren müssen.)
    In Wirklichkeit sehen sie eher wie Picasso aus. Lange, bananenähnliche Milzteile mit einer gelblichen, mehligen Haut. Große, blubbernde Büschel, die an eine Blutwurst erinnern, in die man Preiselbeeren und Schraubenschlüssel reingebohrt hat. Wandelnde Schwellkörper, so sehr mit Warzen und Stempeln übersät, dass sie jedes Mal aufplatzen, wenn sie sich hinunterbeugen. Und dann haben wir noch all die Meerestiere, die auf anderem Weg zu uns gelangt und ins Aquarium geplumpst sind. Man kann sie durch den Glasboden in der unteren Bar se
    hen, blauschimmernde Algenquallen,

Weitere Kostenlose Bücher