Das Loch in der Schwarte
und Schwefelverbindungen wie ein gerade erst geöffnetes, verrottetes Ei ausrülpsen. Oder dieser frische, eisenkühle Blutgestank der Humanosaurier hinten in der Raubtierkantine. Und all die Odeurs wie Ameisensäure, gekochter Kohl, Chlorgas und ranziger Talg, Molke, Leim, Ziegenhaar und alte Kippen, die einem aus allen Richtungen entgegenschlagen.
Vorsichtig drängt man sich zwischen Holzköpfen, Bürzelfedern, Rückenplatten, Amphibienbergen und Roaderuniformen aus allen Synthetikmaterialien des Universums zur Bar vor. Gleichzeitig stopft man sich gewissenhaft das Hemd in die Hose und zieht den Gürtel strammer. Im Dunkel unter dem Bartresen hängen sie nämlich in Scharen, die Trinkegel, geduldig auf ein bisschen nackte Haut wartend. Sie sind immer auf der Jagd nach einem Drink, aber gleichzeitig nervend geizig. Deshalb versuchen sie die ganze Zeit von den Bargästen zu schmarotzen. Sie beißen sich mit Betäubungsspeichel in ihren Saugmündern fest und koppeln sofort ihr Blutsystem an das des Wirtstieres, dann können sie wie eine Pflaume in der Leiste hängen und den ganzen Abend gratis und bequem mit steigendem Promillegehalt genießen.
Aber wenn man sich glücklich durchgezwängt hat, dann hat man die Wahl.
Oh je, ho ho ho!
Es werden besondere Anforderungen an eine intragalaktische Bar gestellt, das muss einmal betont werden. Da genügt einfaches Starkbier nicht. Äthylalkohol ist ja ungemein beliebt bei gewissen Wesen auf Kohlenstoffbasis wie uns Erdlingen, während andere Natriumhydroxid oder 2,4,5-Diammoniumalkaloidsulfat oder normale abgestandene Batteriesäure vorziehen. Die Gehirne sind ja nun einmal ungleich geschaffen. Ein Martini dry, der mich froh und sozial macht, kann einen Flugmammut umhauen oder bei einer kleinen Nadelratte wie Wasser durchlaufen. Diese grüne Saftbowle, von der die Fingergrille in ihrer Box so fröhlich nippt, besteht zu neunzig Prozent aus Curare. Man muss also darauf achten, die Gläser nicht zu verwechseln. Ab und zu kommt es vor, dass jemand explodiert, der aus Versehen seine Schnauze in einen Rest Dioxin, in Lackleder oder eine lebende Joghurtkultur gesteckt hat. Besonders Letzteres hat sich als das reinste Arsen für alle Roboter mit biochemischem Gedächtniskreis erwiesen. Nach dem kleinsten Joghurtschluck fangen sie an, nationalistische Roboterlieder zu grölen, dann schmeißen sie sich auf den Tisch und beschluchzen pathetisch den Verlust des Vaterlandes und der Traditionen, und im Endstadium prügeln sie sich untereinander, bis ihre Metallplatten sich lösen und ihr vom Joghurt aufgelöstes Biohirn wie ein Softeis zu Boden platscht.
Der Barkeeper ist ein schmuddeliger, büchsenartiger Schlangencomputer, der sich mit langsamen, wiegenden Bewegungen hin und her schlängelt.
»Was soils sein?«, brummt er durchs Bakelit und glotzt einen dumm mit seinen ungeputzten Linsen an.
Du debiler Teufel, denkt man verärgert. Laut sagt man:
»Ein Martini dry mit Limonenschale und Barracudagin und einer chemischen Olive, keiner natürlichen, und ein Zahnstocher aus in Wacholderrauch gehärteten Erkheikkiespenholz, und der Glasrand mit jodfreiem Mondsalz gefrostet, und dann soll er geschüttelt sein, nicht gerührt, also geschüttelt und nicht…
Pling, schon steht er da.
Es ist nicht zu glauben. Es geht so schnell, dass man kaum zusehen kann, die gewundenen Spinnenarme schaukeln wie Lianen zwischen den Flaschen und Schubladen und Unmengen von Regalen hin und her, und wenn etwas ganz besonders Außergewöhnliches gewünscht wird wie in Wacholderrauch gehärtetes Erkheikkiespenholz, dann öffnet sich der Barfußboden, die Eingeweide des Asteroiden tun sich auf, und mit einem Peitschenhieb fegt eine Schlinge mit einem Knall hinunter, an der Spitze sitzt eine äußerst kleine Greifklaue, die das hermetisch geschlossene Titanfach öffnet und sich einen der duftenden Holzstifte schnappt, dann wieder zurückschwingt und ihn mit einem kleinen Zischen durch die chemische Olive pikst.
Wenn man etwas Einfaches wie eine Piña Colada bestellt, dann steht sie schon vor dir, bevor du auch nur das abschließende – da hast aussprechen können.
Man schiebt den Kreditchip durch den Schlitz und sieht, wie der Barkeeper langsam zum nächsten Kunden schaukelt.
»Was solls sein?«
»Fistelsäure mit ausgequetschten Weibern und eingearbeitetem Iridium.«
Pling.
Man zwängt sich hinaus in den Dunst der Trankocherei und des Schmelzwerks, an seinem Drink nippend und den Weltraum betrachtend.
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