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Das Loch in der Schwarte

Das Loch in der Schwarte

Titel: Das Loch in der Schwarte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mikael Niemi
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Himmelskörper langsam über dem Horizont aufsteigt.
    »Es gibt keinen Mann im Mond«, erklärt man. »Es gibt niemanden dort draußen.«
    »Doch, oh doch«, protestiert sie.
    »Nein, mein liebes Kind. Da draußen im Weltall ist es leer und kalt. Es gibt niemanden dort, kein einziges Lebewesen, besser, wenn du dich gleich an den Gedanken gewöhnst.«
    Sie beginnt zu zittern, und man glaubt, sie fröre. Doch es ist die Verzweiflung. Es ist die Resignation. Man zieht sie näher an sich heran, aber sie reißt sich los, läuft davon, verschwindet in der dichter werdenden Dunkelheit.
    Nun kann man sich natürlich fragen, wie es so gekommen ist. Wie ist es möglich, dass an keinem anderen Ort als der Erde irgendeine Form von Leben entstand? Bei all diesen Myriaden von Planeten da draußen sollte das Universum doch eigentlich vor Leben nur so wimmeln. Ein ganzer Teil dieser Lebensformen hätte schon lange vor den Menschen entstehen müssen und damit Zeit gehabt, eine uns überlegene Intelligenz zu entwickeln. Sie warten dort draußen auf uns, überall. Es ist nur eine Frage der Zeit, wann wir zu ihnen Kontakt bekommen.
    So ist spekuliert worden. So große Hoffnungen, so schöne Träume. Und dennoch war alles falsch.
    Was man verpasst hat, das ist das Leben selbst. Der Zauber des Lebens. Nimm nur eine Schüssel mit warmem Wasser, füge Methan und Ammoniak hinzu und lass dann so viele elektrische Funken darin sprühen, wie du willst. Du wirst nicht eine einzige Bakterie erzeugen.
    »Aber da bilden sich ja Moleküle!«, pflegen pfiffige junge Forscher auszurufen. »Wenn wir damit nur eine Million Jahre weitermachen, dann werden wir die erste Urzelle bekommen.«
    Leben entsteht jedoch nicht auf diese Art und Weise. Was tot ist, beginnt nicht zu leben. Auf der einen Seite haben wir irgendwelche Kohlenstoffverbindungen und Aminosäuren. Auf der anderen Seite sehen wir die allerprimitivste Zelle. Und es ist dieser kleine Hopser, dieser Schritt von dem einen zum anderen, der so lächerlich winzig erscheinen mag, der jedoch genau besehen über den tiefsten Abgrund des Universums führt. Bis an den Rand kannst du gelangen, das ist nicht besonders schwer, es gibt unzählige Planeten mit günstigen Bedingungen. Aber nur einem einzigen ist es geglückt, über den Abgrund hinwegzukommen. Und das war die Erde. Das war das erste und das letzte Mal, dass so etwas passiert ist.
    Fakt ist, dass es vor unserem Universum bereits mindestens zehn Milliarden andere Universen gegeben hat. Das ist natürlich nur eine grobe Schätzung, auf kosmischer Dendrochronologie basierend. Aber von diesen ungefähr zehn Milliarden Universen hat nicht ein einziges Leben besessen.
    Sie waren nur hohle Luftballons, die sich immer weiter aufbliesen und schließlich kollabierten, eines nach dem anderen. Wie in einer gigantischen Patience sind die Karten über den schwarzen Spieltisch des Weltalls verteilt worden, ohne dass es aufginge. Immer und immer wieder sind sie eingesammelt und sorgfältig gemischt worden, bevor sie wieder in einem riesigen Geben verteilt wurden.
    Zehn Milliarden Nieten. Aber beim zehnmilliardenundersten Mal, auf einem der allerwinzigsten mikroskopisch kleinen Krümel in diesem unendlichen Staubsaugerbeutel. Da, zum ersten und einzigen Mal jemals, beginnt eine anschwellende Urzelle, sich zu teilen.
    Und wir bekommen zwei Urzellen.
    Es hat angefangen. Endlich, endlich ist es in Gang gekommen.
    Man kann sich natürlich fragen: Warum? Warum geschah es ausgerechnet dieses Mal? War es reiner Zufall?
    Die Antwort ist merkwürdig. Es wird dir schwer fallen, sie zu schlucken.
    Es war Holger. Die Antwort lautet: Holger.
    Und was ist dann dieser Holger, möchtest du wissen.
    Eine Antwort auf diese Frage kann niemand genau geben. Stattdessen vermutet man so einiges. Sicherheitshalber hat man sich Holger als einen Fisch vorgestellt. Einen kleinen Fisch, der mit Lichtgeschwindigkeit kreuz und quer durchs Universum schwimmt. Kreuz und quer ist bereits in sich eine Vereinfachung. Vielleicht schwimmt er auf einer äußerst wohlüberlegten Bahn, aber weil Holger so schwer zu begreifen ist, ist es schwer, überhaupt einen Überblick zu bekommen.
    Holgers Eigenschaft: Er fummelt überall herum. Er stört. Vor vier Milliarden Jahren kam Holger an unserem Planeten vorbei und stocherte in irgendwelchen Aminosäuren herum. Man kann sagen, dass dabei ein Schaden entstand. Holger tat sich ein bisschen weh. Er blutete ein wenig, und es spritzte etwas von seinem kleinen

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