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Das Loch in der Schwarte

Das Loch in der Schwarte

Titel: Das Loch in der Schwarte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mikael Niemi
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bremsen, wenn er dabei ist, auf einen ebenso wütenden Siliziumhünen mit einer Kieferpartie von der Größe eines VW-Busses und zangenförmigen Fäusten, die ein Loch in einen Kernkraftreaktor schlagen und die Brennstäbe wie Lutschstangen herausholen können, loszugehen. Wer so einen Zusammenstoß je gesehen hat, wird ihn nie vergessen. Wer so einen Zusammenstoß je gesehen hat, überlebt ihn ehrlich gesagt nur ziemlich selten. Wir reden hier nicht von einer Prügelei, wir reden hier von seismischer Aktivität. Bei der schlimmsten Kneipenschlägerei aller Zeiten zerplatzte der ganze Asteroid in zwei Teile, und es waren jede Menge freiwilliger Spenden und Schiffsladungen von Dichtungsmasse nötig, um ihn wieder zusammenzukriegen. Tatsache ist, dass die ganze Kaschemme ein paar Mal pro Saison Totalschaden erlebt, das ist auch der Grund dafür, dass der Barcomputer so zerbeult ist. Man rechnet ganz einfach damit, trotz aller Vorsichtsmaßnahmen und obwohl die schlimmsten Stinkstiefel auf Lebenszeit Hausverbot haben. Ununterbrochen landen neue Fahrzeuge mit dem schlimmsten Abschaum hier, und nach nicht mehr zu zählenden Besäufnissen mit gehörig gemixtem Gift ist es dann nur noch eine Frage der Zeit, wann es knallt.
    Am schlimmsten sind die Ameisenkulturen. Trotz schärfster Duftwarnungen in jeder nur bekannten Ameisensprache schon am Eingang, die besagen, dass ein Ameisenkrieg strengstens verboten ist, stapeln sie sich schnell jeweils an der Stirnseite aufeinander. Und je mehr Läusepisse sie in sich schütten, umso schneller siegen die Insekteninstinkte. Und dann, hastenichgesehn, ist das Ameisengefecht schon im Gange. Wir anderen lassen ihnen den Spaß, der Kampf endet meistens nach einer Weile sowieso unentschieden, mit einem Häufchen Überlebender auf jeder Seite, aber man wird ja diesen Ameisengestank so leid. Früher schritten die Wachleute ein und stampften in die Haufen, dann schlossen sich die Ameisen jedes Mal blitzschnell zusammen und gingen stattdessen auf die Wachen los. Und die Ameisen sind zwar klein, aber nicht einmal einem Sumpfschwein gefällt es, ein paar Tausend messerscharfe Ameisenzangen am ganzen Körper zwicken zu haben. Deshalb werden sie inzwischen meistens in Ruhe gelassen.
    Doch trotz der Krätze, des Gestanks, des unhöflichen Gehabes, des Gedränges, der physischen Risiken und auch der mentalen gehört das Loch in der Schwarte zu dem Überwältigendsten und Intensivsten, was ein Roader je erleben kann. Ich bin ein dutzend Male dort gewesen, und jeder Besuch hat mich als Mensch verändert. Dieses Gefühl, mitten im Weltraum zu stehen. Mit ihm geschoben zu werden, ihn nur auf eine Armlänge Abstand zu haben. Wir reden hier schließlich von Reisen über Tausende von Lichtjahren für Existenzen aus allen Ecken der Milchstraße und Millionen von Lichtjahren für die intragalaktischen Erzschiffe. Diese unendliche Leere dort draußen, dieser entsetzliche Abgrund aus Dunkelheit und Unendlichkeit, der uns voneinander trennt. Ausnahmsweise soll er einfach ausradiert sein. Ich habe schon so einiges von allen möglichen entlegenen Lebensformen gehört, das Gerücht ist ihnen vorausgeeilt, ich habe mir in meiner Fantasie vorgestellt, ihnen zu begegnen, habe von ihnen geträumt. Und plötzlich sind sie da, alle zusammen, an einem Ort versammelt. Das hier ist das Weltall. Und bei jedem neuen Besuch sind weitere Kulturen hinzugekommen, fremde, bis dato unbekannte Welten.
    Das Gerücht vom Loch in der Schwarte verbreitet sich schneller als das Licht, im ganzen Universum wird von ihm geredet, und je mehr Kulturen sich dorthin aufmachen, umso mehr bis dato unbekannte werden von ihm angezogen.
    Es ist ein gigantisches, Furcht erregendes, ungeordnetes Familientreffen. Alle im Schwartenloch stammen schließlich vom gleichen Big Bang, alle sind wir weit entfernte Cousins und Cousinen. Ich lehne mich gegen einen Pfosten und schaue mich im Lokal um. Da steht eine Gruppe röhrenförmiger Würste, die sich ängstlich aneinander drücken und klammern, den Pellerücken uns zugewandt. Sie sind bestimmt zum ersten Mal hier. Ich richte meinen Blick auf die längste von ihnen, hebe mein Glas zu einem Toast. Sie erstarrt, die Sehstiele winden sich, die pflaumenfarbene Linse versucht herauszufinden, ob ich gefährlich bin. Doch dann beugt sie sich höflich ein wenig vor. Die anderen Würste drehen sich um, leicht zitternd. Dann heben sie alle ihre kleinen Parasitenbecher und schlabbern den wuseligen Matsch. Ich trinke

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