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Das Locken der Sirene (German Edition)

Das Locken der Sirene (German Edition)

Titel: Das Locken der Sirene (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tiffany Reisz
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und sprach mit einem Mann in den Fünfzigern, der ein freundliches Gesicht und kein einziges Haar auf dem Kopf hatte. Zach trat zu den beiden. Vor einer Wand stand ein Tisch, auf dem sich Noras letzter Bestseller stapelte. Der glatzköpfige Mann entschuldigte sich, weil er einen Krug Wasser holen wollte.
    „Hübsche Krawatte“, bemerkte Zach an Wesley gewandt. „Ziemlich flott.“
    „Flott – das ist wieder so ein britisches Kompliment, stimmt’s?“
    „Genau.“
    „Noras Anweisung. Bin eigentlich nicht so der Krawattentyp.“
    „Ihre Anweisung? Wo steckt unsere Alleinherrscherin überhaupt?“
    „Sie versteckt sich irgendwo. Sie hasst Signierstunden. Ihr letztes Buch bei Libretto kam vor zwei Monaten raus. Das ist ihre letzte Veranstaltung für den Verlag. Sie hasst solche Sachen.“
    „So extrovertiert, wie sie ist, hätte ich gedacht, Signierstunden seien ihre Stärke.“
    „Sie kann zwar gut bellen, Zach, aber mit dem Beißen hapert es noch.“ Wesley ließ seinen Blick über die Menge schweifen, die sich bereits vor den roten Seilen versammelt hatte. „Es macht sie nervös, unter vielen Menschen zu sein, wenn sie nicht die absolute Kontrolle hat.“
    „Sie ist ein kleiner Kontrollfreak, kann das sein?“
    Wesley zeigte auf seine Brust. „Beachten Sie nur die Krawatte.“
    Zach lachte, weil Wesley das Gesicht verzog. Es kam ihm immer noch ziemlich merkwürdig vor, dass Wesley einer so viel älteren Frau so ergeben war. Er wusste, wie gefährlich romantische Heldenverehrung sein konnte.
    „Sieht aus, als ginge es gleich los“, sagte Zach. Der Glatzkopf kam zurück und stellte eine Glaskaraffe mit Wasser nebst Glas auf den Signiertisch. Zach zählte um die vierzig bis fünfzig Leute, die sich bereits in die Schlange gestellt hatten, und es wurden mit jeder Minute mehr. „Soll ich unsere flüchtige Autorin mal holen gehen?“
    „Wenn es Ihnen nichts ausmacht? Ich will lieber hierbleiben und alles im Blick behalten.“
    Zach entging nicht, dass Wesley ganz genau auf die Leute achtete, die auf Nora warteten. Er musterte jeden Mann in der Warteschlange. Es waren mehr Männer da, als Zach erwartet hätte. Erotik wurde im Grunde als ein Subgenre des Liebesromans vermarktet, und trotzdem waren mindestens ein halbes Dutzend erwachsene Männer da sowie ein paar Teenager, die schicke neue Ausgaben von Noras letztem Buch an sich drückten.
    „Machen Sie sich Sorgen wegen der Fans?“, fragte Zach.
    „Das würden Sie auch tun, wenn Sie die Fanpost lesen würden.“
    „Ich verstehe. Ich suche mal nach Nora. Irgendeine Idee, wo sie steckt?“
    Zach sah, wie Wesley den Blick eines jüngeren Manns in der Menge suchte. Er wirkte nicht besonders bedrohlich, doch er schien nervös und ungeduldig zu sein und warf ihm und Wesley neidische Blicke zu, weil sie innerhalb der Absperrung standen. Er trug eine grüne Armeejacke und schwere Kampfstiefel. Nicht gerade der typische Liebesromanfan. Aber an Nora oder ihren Büchern war ja auch nichts typisch.
    „Versuchen Sie’s mal oben“, schlug Wesley vor. „In der Kinderbuchabteilung.“
    Zach fiel es schwer, sich vorzustellen, wie Nora sich zwischen Puh der Bär und Harry Potter versteckte. Natürlich hätte er sich genauso wenig vorstellen können, dass sie sich in eine Kirche zurückzog. Er nahm die Rolltreppe nach oben und folgte den bunten Fußstapfen eines Dinosauriers auf dem Teppich, die direkt zu einer bunt bemalten Nische führten. Bei den Bilderbüchern bog er um die Ecke und hörte schon das vertraute, heisere Lachen.
    Auf einer kleinen Stufe saß Nora mit einem Buch in den Händen. Der Mantel lag über ihrem Schoß, um den zu kurzen roten Lederrock zu verbergen. Drei kleine Kinder – ein Junge von etwa fünf bis sechs Jahren und zwei kleinere Mädchen – saßen mit großen Augen und gebannt lauschend vor Nora.
    „‚Hüte dich vor dem Jubjub‘“, las Nora vor. Sie hielt das Buch so, dass die drei Kinder die Bilder sehen konnten. „‚Und meide den wilden Bandersnatch.‘“
    „Was ist ein Bandersnatch?“, fragte das kleinste Mädchen und verhaspelte sich bei dem schwierigen Wort.
    „Das ist ein Vogel-Delfin-Flusspferd-Schlangen-Etwas“, erklärte Nora sachlich. „Aber viel wilder. Verstanden?“
    Die Kinder nickten und kicherten, und Nora blätterte um. Zach hüstelte, um Noras Aufmerksamkeit zu erregen.
    „Ach, was wollen Sie denn hier?“ Nora klappte das Buch zu und starrte ihn finster an.
    „In der unteren Etage wird nach Ihrer

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