Das Locken der Sirene (German Edition)
T-Shirt an. Er hatte im Krankenhaus Gewicht verloren, weshalb seine Bauchmuskeln jetzt noch deutlicher hervortraten. Er bestand eigentlich nur aus Muskeln. Sie pfiff anerkennend. „Das ist vermutlich die heißeste Uhr, die mir je untergekommen ist.“
„Nora, hör auf damit.“ Wesley wurde rot und zog das T-Shirt wieder herunter. „Ach, komm schon, Wesley! Du läufst ständig ohne T-Shirt im Haus herum. Das beweist nur, dass du insgeheim ein kleiner Sadist bist.“
Wesley verzog das Gesicht. „Ich bin kein Sadist. Ich bin nicht wie er!“
Sie lachte. „Du bist ihm
sehr
ähnlich.“ Sie fand es irgendwie süß, wie Wesley versuchte, Sørens Namen nicht auszusprechen. „Ihr macht euch beide viel zu viele Sorgen um mich.“
„Jeder, der dich kennt, macht sich Sorgen um dich“, konterte Wesley.
„Und ihr seid beide blond. Der Unterschied ist, dass seine Haare ein bisschen heller sind.“
„Tja, er ist halt Schwede oder so.“
„Däne. Seine Mutter war Dänin und sein Vater Engländer. Er ist der unamerikanischste Amerikaner, dem ich bisher begegnet bin. Oh, ihr habt noch eine Gemeinsamkeit. Ihr seid beide Musiker.“
Wesley sah sie misstrauisch an. „Spielt er etwa auch Gitarre?“
„Klavier. Er hätte Konzertpianist werden können, aber inzwischen spielt er nur noch zum Spaß.“
„Er ist einer von diesen perfekten Typen, stimmt’s?“, fragte Wesley und verschränkte die Arme vor der Brust. „Sein Haar ist nie zerzaust, er verschüttet nie etwas und stolpert nicht.“
Nora nickte. „Wenn das deine Definition von Perfektionismus ist, passt es zu ihm. Ich habe inzwischen den Überblick verloren, wie viele Sprachen er spricht. Und er kann sehr witzig und charmant sein, wenn er will. Außerdem ist er unglaublich attraktiv. Er ist außerdem anmaßend und selbstgefällig.“
Wesley grinste sie an. „Erzähl mir mehr.“
„Nun, er ist noch nie auf einem Pferd geritten, und schon gar nicht auf einigen der größten, gemeingefährlichsten und Furcht einflößendsten Hengste auf diesem Planeten. Und“, fügte sie hinzu und griff wieder nach Wesleys T-Shirt, „er bringt mich nicht zum Lachen. Er schenkt mir nicht jeden Tag ein Lächeln, wie es ein gewisser Jemand zu tun pflegt.“
Wesley hob die Arme, und Nora zog ihm das T-Shirt aus. Damit es gerechter war, knöpfte sie ihre Bluse auf und ließ sie neben Wesleys T-Shirt auf den Fußboden fallen. Wesley schien sehr angestrengt zu versuchen, sie nicht anzustarren, weil sie nur noch Jeans und BH trug.
„Und wir müssen den Schuss hier setzen?“, fragte sie und berührte eine Stelle an seinem Bauch, die einige Zentimeter oberhalb seines Nabels lag.
„Ja. Das ist die Mittagsstunde sozusagen.“
„Verstanden.“ Sie schnippte mit den Fingern so hart gegen die Mittagsstunde, dass Wesley schmerzlich das Gesicht verzog.
„Autsch.“ Er lachte. Nora schnippte erneut. „Was machst du da?“
„Im Sadomasochismus beginnt man damit, die Haut zu desensibilisieren, ehe man jemanden schlägt. Ein kleiner Schmerz zu Anfang kann später eine Menge Schmerzen verhindern.“ Sie bearbeitete die Stelle, bis sie sich rötete.
„Das fühlt sich schlimmer an als die Nadel.“
Nora schaute ihn an und hob die Augenbrauen.
„Okay, jetzt verstehe ich, was du damit bezweckst“, sagte Wesley. Nora hörte mit dem Schnippsen auf. „Was kommt jetzt?“
„Nimm den hier, und dreh dich um“, befahl sie und reichte ihm den Insulinstift. „Lehn dich ganz entspannt gegen mich.“
Wesley drehte ihr den Rücken zu, und Nora legte die Arme um seinen Oberkörper. Seine junge Haut war so weich und warm, und als ihre Brüste seinen Rücken berührten, spürte sie, wie er erzitterte. Sie ermahnte sich, dass sie hier war, um ihm zu helfen, nicht um ihn zu verführen.
„Okay, sieh auf meine Hände.“ Ihre Hände lagen auf seinem Brustkorb. „Atme so tief ein, dass du die Lungen wie Ballons aufbläst und siehst, wie meine Finger sich spreizen.“
Wesley nahm einen tiefen Atemzug, und Nora spürte, wie ihre Hände sich öffneten.
„Jetzt atme für fünf Sekunden ganz langsam aus, und atme dann wieder ein.“
Wesley gehorchte. Er atmete ein zweites Mal ein und aus.
„Dieses Mal“, sagte sie, „atmest du wieder so tief ein, aber wenn du ausatmest, stößt du die Luft ruckartig aus und stichst zugleich die Nadel in den Bauch. Ich zähle bis fünf, und du ziehst sie wieder heraus.“
Ein letztes Mal atmete Wesley tief ein.
„Jetzt atme mit aller Kraft aus“,
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