Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Locken der Sirene (German Edition)

Das Locken der Sirene (German Edition)

Titel: Das Locken der Sirene (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tiffany Reisz
Vom Netzwerk:
dem König der Unterwelt und Sørens ältestem Freund. Sie hatte ihm mitgeteilt, dass sie bereit wäre, alles für ihn zu tun – Hauptsache, sie könne sich davon eine eigene Wohnung leisten, um dort in Ruhe zu schreiben und zu trauern.
    „Wirklich alles,
chérie
?“, hatte er sie gefragt. „Absolut alles?“
    „Gib mir einfach einen Job, King. Ich kann im Club Cocktails servieren oder die Fußböden wischen – es ist mir egal.“
    Er hatte gelacht und versucht, sie niederzustarren. Ihre Jahre mit Søren hatten sie gelehrt, niemals dem Blick eines Dominanten zu trotzen – es sei denn, er verlangte es. An jenem Tag hatte sie den Blick erwidert. Sie hatte ihn angeschaut und gewusst, dass sich in ihren Augen all die Schmerzen und die Verzweiflung spiegelten, die das Jahr in der Hölle in sie hineingehämmert hatte.
    „Non“
, hatte er schließlich gesagt und ihr Kinn in beide Hände genommen. Sein Lächeln hatte ihr verraten, dass sie in größeren Schwierigkeiten steckte, als sie sich überhaupt vorstellen konnte. „Keine Kellnerin und auch keine Putzfrau. Du sollst nicht mehr dienen. Ich habe eine viel bessere Idee …“
    „Nor?“
    Nora drehte den Kopf. Wesley stand in der Tür.
    „Hey, Kleiner. Tut mir leid, ich war gerade ganz woanders. Was ist los?“
    „Nichts. Wie geht’s mit dem Buch voran?“
    „Ganz gut, glaube ich.“
    „Haben Zach die neuen Kapitel gefallen, die du ihm geschickt hast?“
    „Das weiß ich nicht. Ich hab seit ein paar Tagen nicht mehr mit ihm gesprochen.“
    Wesley betrat ihr Büro und setzte sich in den Sessel. Er betrachtete sie nachdenklich. Sie hasste ihn plötzlich für die Klugheit, die sie in diesen braunen Augen erkannte. Sie hätte sich lieber einen dummen Praktikanten suchen sollen.
    „Samstagabend – da ist zwischen euch beiden etwas passiert, nicht wahr?“
    „Wir haben nicht gefickt, wenn du dir deshalb Sorgen machst.“
    „Ich mach mir deshalb keine Sorgen. Ich mache mir um dich Sorgen.“
    „Du machst dir zu viele Sorgen. Mir geht’s gut. Das Buch entwickelt sich prima.“
    Er stand auf. Noch immer schaute er sie so an. Sie blickte hoch und erwiderte seinen Blick. Lächelte. Solange sie ihn anlächelte, glaubte er ihr jede Lüge.
    „Also gut. Ich geh zu Josh. Bis später.“
    „Lern schön. Lern nur brav die ganzen quadratischen Gleichungen und Isotope und so einen Kram.“
    „Man merkt, dass du Englisch im Hauptfach hattest.“
    „Im Nebenfach auch“, erinnerte sie ihn und scheuchte ihn aus dem Büro. Sie stand auf und lief unruhig hin und her. Sie hörte, wie Wesley das Haus verließ. Plötzlich war sie schrecklich froh, allein zu sein. Sie schaute auf ihr Bürotelefon. Es hatte heute nicht geklingelt, ebenso wenig gestern oder vorgestern. Zach hatte seit Sonntag nicht mehr mit ihr gesprochen, seit er sich so unbeholfen von ihr verabschiedet hatte und ins Taxi gestiegen war. Sie schickte ihm weiterhin die neuen Seiten. Er schickte sie mit Kommentaren und Vorschlägen versehen zurück. Die persönlichen Anmerkungen fehlten. Keine Ermunterungen, keine Beleidigungen, nichts. Sie schenkte ihm ihr Herz mit vollen Händen, und er kreiste um ihre Kommasetzung.
    Nora wandte sich von dem schwarzen Bürotelefon ab und suchte ihr rotes Handy. Sie drückte die Kurzwahl 8, die einzige Nummer, die in dieses Handy einprogrammiert war.
    „Oh, là, là“
, sagte Kingsley in seiner gewohnt trägen, verführerischen Art. „Dann sind die Gerüchte über dein Dahinscheiden also übertrieben gewesen. Oder spreche ich gerade mit einem Geist?“
    „Du sprichst mit der verfluchten Mistress Nora, und ich langweile mich und bin gewaltig genervt!“
    „Du hast also dein gewohnt sonniges Gemüt. Wie kann ich dir helfen?“
    „Wer steht auf meiner Warteliste?“
    „Tout le monde
, Maîtresse. Wirklich jeder.“
    „Such jemanden aus, und vereinbare ein Treffen.“
    „Mais bien sûr, ma chérie
. Ich ruf dich in fünf Minuten zurück.“
    In weniger als fünf Minuten war King wieder am Telefon. Er nannte ihr Namen, Ort und Zeit. Der Termin war in einer Stunde.
    Nora lief in ihr Schlafzimmer und riss den Kleiderschrank auf. Sie suchte das Lieblingskostüm ihres Kunden heraus – den weißen maßgeschneiderten Marlene-Dietrich-Anzug. Gewissenhaft rückte sie die hellblauen Hosenträger zurecht, warf sich die Jacke über und stellte sich vor den Spiegel, um sich die Krawatte zu binden.
    „Nor?“
    „Scheiße.“ Nora wirbelte herum. Wesley stand in ihrem Schlafzimmer. Er

Weitere Kostenlose Bücher