Das Locken der Sirene (German Edition)
dass du jemanden hast, der sich um deine Sicherheit sorgt.“
Nora lachte kurz auf.
„Das klingt ganz nach ihm. Was hast du gesagt?“
„Ich sagte, ich hätt’s gern gemacht. Ich wusste nicht, was ich sonst sagen sollte. Nora, woher weiß er überhaupt, was passiert ist?“
„Wenn es um mich geht, weiß er eben Bescheid.“
„Warum hat er mich angerufen?“
„So ist Søren nun mal“, sagte sie. „Er war dir dankbar.“
„Ich habe nicht seinetwegen diesen Verrückten von dir weggezogen, Nora. Das habe ich für dich getan.“
„Das weiß ich. Aber Søren …“
„Er glaubt immer noch, dass du ihm gehörst, stimmt’s?“
„Er liebt mich noch. Das ist alles.“
Wesley wandte sich von Nora ab. Er nahm seinen Teller und kippte das beinahe unberührte Omelett in den Mülleimer. Bevor er aus der Küche marschierte, blickte er ein letztes Mal zu Nora zurück. „Ich dachte, er gehört deiner Vergangenheit an“, sagte er mit unüberhörbarem Vorwurf in der Stimme.
Zach sah die beiden Zwillingsdämonen Kummer und Eifersucht in seiner Miene.
„Ich kann nichts dafür, wenn er nicht da bleibt“, erwiderte Nora.
Wesley verließ die Küche. Nora begann wieder, in ihrem Essen herumzustochern. Sie nahm keinen Bissen von ihrem Frühstück.
„Nora, geht es dir gut?“
Sie stand auf und kippte ihr Omelett ebenfalls in den Mülleimer.
„Komm, Zach. Ich bring dich nach Hause.“ Sie hielt ihm die Hand hin.
Zach schaute auf ihre Hand, ohne sie zu ergreifen.
„Ich habe mir schon ein Taxi gerufen.“
14. KAPITEL
W illiam drehte sie auf den Rücken und zwang sie, die Arme über den Kopf zu heben. Das hatte er schon so oft getan, dass er inzwischen nicht mehr darüber nachdenken musste, wie viel Kraft er aufbringen musste, um sie mit einem Arm niederzuhalten, während er mit der freien Hand ihre Handgelenke an den Bettpfosten fesselte. Er zog den Knoten fest an. Nicht zu fest, um nicht die Blutzirkulation in ihren Händen zu unterbrechen. Er fügte ihr zwar wieder und wieder Schmerzen zu, aber eher würde er sich den eigenen Arm abhacken, als ihr Schaden zuzufügen. Er schaute nach unten. Sie hatte den Kopf zur Seite gedreht und schaute aus dem Fenster. Das Sonnenlicht strömte herein und ließ ihre Augen und das blonde Haar so weiß wirken wie das Gefieder einer Taube. Ein leises Seufzen kam über ihre Lippen, als er langsam in sie eindrang. Sie legte den Kopf in den Nacken. Ein leises Schluchzen entrang sich ihrer Kehle
.
Er zog sich aus ihr zurück, und sie rollte sich auf der Seite zusammen. Ihre Arme waren noch immer über ihrem Kopf gefesselt
.
„Ich weiß es nicht“, antwortete sie auf die Frage, die zu stellen ihm unmöglich war. „Es tut mir leid, Meister.“
„Rede mit mir, Caroline. Was ist los?“
„Ich weiß es nicht“, wiederholte sie. Dann atmete sie tief durch. Ein, aus. Ein, aus. Langsam drehte sie sich wieder auf den Rücken. „Wir müssen deshalb nicht aufhören.“
Er beugte sich vor und löste die Fesseln um ihre Handgelenke. Dann schloss er sie in die Arme. Diese zärtliche Geste schien das zu lösen, was bisher in ihr verschüttet gewesen war. Schluchzend brach sie an seiner Brust zusammen
.
Er zog sie so eng wie möglich an sich, ohne sie zu zerdrücken. Und dann sprach er die drei Worte aus, die er am meisten fürchtete
.
„Vielleicht sollten wir …“
Nora hielt inne und dehnte die Hände und Handgelenke. Sie zog die Knie an die Brust und legte das Kinn auf die verschränkten Arme. Sie war versucht, alles zu löschen, was sie gerade geschrieben hatte. Für sie fühlte sich das Ganze zu melodramatisch an. Trauer kannte keine Würde – diese Wahrheit kannte sie nur zu gut. Nachdem sie Søren verlassen hatte, war sie für fast ein Jahr zum Geist geworden. Erst als ihr eigenes Leid angefangen hatte, sie zu langweilen und zu nerven, weil sie ganze Tage halb krank in einem Bett verbrachte, das sie nie frisch bezog, hatte sie einen Stift zur Hand genommen und angefangen, erste Sätze zu schreiben. Sätze, die zu Absätzen wurden, die zu Seiten und noch mehr Seiten wurden, mit denen sie ihrer Seele die Dämonen austrieb. Dennoch war sie noch weit davon entfernt gewesen, ihr Leben wieder in die Hand zu nehmen. Es bedurfte erst des Ultimatums ihrer Mutter – reiß dich zusammen, oder zieh aus. Da hatte Nora zum ersten Mal in ihrem Leben auf ihre Mutter gehört. Sie hatte sich für beides entschieden. Ihr Aufrappeln bestand darin, sich Kingsley Edge zu Füßen zu werfen,
Weitere Kostenlose Bücher