Das Löwenamulett
erwähnt?«
»Nein«, sagte Ovid, »jedenfalls nicht direkt.«
»Aber was wird dann aus Myron?«, fragte Delia. »Muss er auch ins Exil? Schließlich ist Senator Metellus immer noch sein Herr.«
»Das ist nicht ganz richtig«, sagte Corvinus. »Augustus wird nämlich Senator Metellus auch darum bitten – ich darf bescheiden darauf hinweisen, dass das meine Idee war –, auf sein gesamtes Vermögen zu verzichten. Und zum Vermögen gehören nun einmal auch die Sklaven.«
Delia strahlte. »Aber wo soll Myron wohnen? Er kann doch nicht auf der Straße bleiben. Er muss doch ein Dach über dem Kopf haben. Papa, können wir nicht …?«
Ovid verdrehte die Augen, Corvinus lächelte, Myron betrachtete verlegen den Mosaikfußboden.
153
Natürlich gelang es Delia, ihren Vater dazu zu überreden, Myron aufzunehmen. »Aber nur für ein paar Tage!«, sagte er mit drohend erhobenem Zeigefinger.
Ich bin gespannt, wie viele paar Tage das sein werden.
An diesem Tag saßen Myron und Delia jedenfalls lange auf der Gartenbank und haben sich unterhalten. Delia war dabei sehr albern, fand ich. Aber wir Mädchen sind wohl manchmal so.
Gleich nach dem frohen Wiedersehen im Atrium sind Delia und ich allerdings in die Subura aufgebrochen. Orbilius und Servilia waren auch da, wir haben in der Küche gesessen wie alte Freunde und lange über die Ereignisse der letzten beiden Tage gesprochen. Fast so wie über die Abenteuer des Odysseus, so fern und wundersam kamen sie uns vor. Natürlich hatte Pacuvius ein gewaltiges Don-nerwetter über sich ergehen lassen müssen. Das haben wir zum Glück nicht mitbekommen, er hat es uns erzählt. Sein Onkel und seine Tante hatten die halbe Stadt nach ihm abgesucht und wären vor Sorge beinahe gestorben. Als er dann am Morgen zurückkam, hat Orbilius ihm erst die Ohren lang gezogen und ihn gleich darauf heulend in den Arm genommen und so fest gedrückt, dass Pacuvius die Luft wegblieb. Servilia schluchzte immer wieder, als wir in der Küche saßen, und hat wohl drei Schnupftücher vollge-weint.
Senator Corvinus hat uns noch etwas Interessantes erzählt: Aus Senator Metellus’ beschlagnahmtem Vermögen soll Magister Orbilius so viel Geld bekommen, dass er seine Werkstatt wieder in Schwung bringen kann. Ein warmer 154
Umhang für Servilia und ein Medicus, der sich um Orbilius’ Husten kümmert, müssten da wohl auch noch drin sein.
Für heute Abend hat sich Senator Corvinus zum Essen eingeladen. Delias Vater will ein paar seiner Verwandlungsgeschichten vortragen. Das wird bestimmt ein lustiger Abend.
Und morgen? Ich weiß noch nicht. Vielleicht gehe ich in die Ascaniusgasse. Magister Orbilius will einen Medicus auf-suchen und hat Pacuvius den Tag freigegeben. Und da dachte ich mir … na ja …. Auf jeden Fall hoffe ich, dass Vaters Geschäfte ihn noch ein paar Tage länger hier in Rom fest-halten werden.
Anhang
Wissenswertes über die Römer
zur Zeit des Dichters Ovid
Der Dichter Ovid,
sein Förderer und der Kaiser
Publius Ovidius Naso lebte von 43 v. bis ca. 18 n. Chr. Er gehört zu den bedeutendsten Dichtern der Antike. Ovid schrieb unter anderem eine ›Liebeskunst‹ (Ars amatoria), in der die Leser auf humorvolle Weise Tipps erhalten, wo und wie sie in Rom einen Partner finden und erobern können, und die ›Metamorphosen‹: Geschichten aus der griechischen Sagenwelt, die oft mit einer Verwandlung (= Metamorphose) enden. Ovid war verheiratet und hatte eine Tochter, wie er selbst in einem seiner Gedichte erzählt. Gefördert wurde er von Marcus Valerius Messalla Corvinus (64 v. –8 n. Chr.), einem hoch angesehenen Senator.
Ovid lebte in Rom zur Zeit des Augustus, des ersten römischen Kaisers. Dieser lenkte das Römische Reich von 31 v. Chr. bis zu seinem Tod im Jahre 14 n. Chr. Unter seiner langen Herrschaft blühte die Wirtschaft im Römischen Reich ebenso auf wie Kunst und Kultur. Aber im Jahre 8 n. Chr. schickte er den Dichter Ovid in die Verbannung ans Schwarze Meer. Die Gründe dafür sind nicht eindeutig überliefert.
159
Freizeitvergnügen im Alten Rom
Wagenrennen: Zu den beliebtesten Freizeitvergnügungen der Römer gehörten Gladiatorenkämpfe und Wagenrennen.
Die Wagenrennen fanden in Rom selbst im Circus Maximus statt, einer gewaltigen Rennbahn zwischen den Hügeln Palatin und Aventin. Man schätzt, dass zwischen 150 000 und 200 000 Zuschauer auf den Rängen Platz fanden.
Auf ein Zeichen des Veranstalters schossen die Gespanne aus den Startboxen (carceres)
Weitere Kostenlose Bücher