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Das Löwenamulett

Das Löwenamulett

Titel: Das Löwenamulett Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schwieger
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der da vor ihr stand. Sie sackte zurück auf ihr Bett und starrte ihn fassungslos an.
    Wir beiden Mädchen saßen, nur mit einer leichten Tunica bekleidet, auf unseren Betten in Delias Zimmer, und dazwi-24

    schen, mitten in der Nacht, stand Myron. Doch was war seit dem Nachmittag geschehen? Er schien völlig aufgelöst zu sein, verwirrt und verängstigt. Und er hielt etwas in der Hand, das ich nicht erkennen konnte. Ich wollte im ersten Moment laut um Hilfe rufen, doch etwas hielt mich zurück. Ich spürte, dass Myron uns nichts Böses wollte. Nein, im Gegenteil, er hatte große Angst und war hierhergekommen, weil er ganz offensichtlich unsere Hilfe brauchte.
    »Hört mir bitte zu!« Myron atmete schwer. »Mir bleibt nicht viel Zeit.«
    »Wie bist du überhaupt …?« Delia blickte zur offenen Balkontür. Damit war ihre Frage beantwortet.
    Myron war so außer Atem, dass er seine Worte nur sto-ckend hervorbringen konnte. »Es ist etwas Furchtbares passiert«, stammelte er. »Ich stecke in großen Schwierigkeiten, in ganz großen Schwierigkeiten. Ich wusste nicht, wohin ich sollte. Da fiel mir dein Balkon ein, Delia. Zum Glück wächst an eurem Haus so viel Efeu. War ziemlich leicht, hier herauf-zusteigen. Bitte verzeiht, ich wollte euch keinen Schreck ein-jagen.«
    »Was ist denn passiert?«, fragte ich. »Du bist doch nicht etwa auf der Flucht? Weißt du nicht, was man mit entflo-henen Sklaven macht?«
    »Doch«, keuchte Myron, »ich bin auf der Flucht. Und ich weiß, was mir bevorsteht, wenn man mich erwischt. Aber ich habe keine Wahl.«
    Plötzlich hörten wir einen spitzen Schrei. Er schien aus dem Nachbarhaus zu kommen. Wir blickten alle drei zur offenen Balkontür.
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    »Was ist denn nur … was hast du getan?« Delia hielt sich vor Entsetzen die Hände vors Gesicht.
    »Ich war noch wach«, begann Myron leise, »konnte nicht schlafen. Plötzlich hörte ich Geräusche. Sie kamen aus dem Arbeitszimmer meines Herrn. Meine Kammer liegt direkt darüber. Zuerst dachte ich, der Senator sei auch noch wach und würde irgendetwas in seinem Zimmer erledigen. Aber schon im nächsten Moment lief es mir eiskalt den Rücken hinunter. Ich hörte einen dumpfen Schlag, einen Schrei, etwas fiel auf den Boden. Einbrecher, dachte ich sofort. Da macht sich ein Einbrecher unten im Haus zu schaffen. Wahrscheinlich hat er den Senator im Arbeitszimmer überrascht.«
    Myron stockte und lauschte kurz nach draußen in die Nacht.
    Aber alles blieb ruhig. Schnell fuhr er fort: »Ich bin sofort von meiner Strohmatte aufgesprungen und die Treppe hi-nuntergestürmt. Na warte, du Halunke, dachte ich, dir werd ich’s zeigen. Als ich die Tür zum Arbeitszimmer erreichte, sah ich meinen Herrn auf dem Boden liegen, leblos. Er be-wegte sich nicht mehr. Vor ihm stand ein Kerl in einem dunklen Umhang mit einer Kapuze über dem Kopf. Er hielt einen Dolch in der Hand und beugte sich über den Senator.«
    »Bei allen guten Göttern!«, hauchte Delia.
    »Ein Mörder!«, flüsterte ich.
    »Ja«, sagte Myron. »Ich hatte ihn auf frischer Tat ertappt.
    Warum habe ich nur nicht um Hilfe gerufen?« Er ballte wütend beide Fäuste. »Aber nein, ich musste ja den Helden spielen.«
    »Was hast du getan?«
    »Auf dem Schreibtisch meines Herrn stand eine Statuette, 26

    ein kleiner Hermes aus Bronze. Den habe ich mir gegriffen und bin damit auf den Mörder losgegangen. Ich glaube, ich habe ihn an der Schulter erwischt. Er ließ den Dolch fallen.
    Dann habe ich mich auf ihn gestürzt und auf ihn einge-prügelt. Aber er wehrte sich kräftig. Wir schlugen und traten wie zwei griechische Allkämpfer aufeinander ein.«
    »Hast du ihn erkannt?«
    »Nein. Ich konnte ihm zwar die Kapuze vom Kopf reißen, aber es war ja kaum Licht in dem Raum. Er war sehr stark, o ja …«, Myron fasste sich an seine blutende Nase, »… und er hatte dunkles Haar.«
    »Lang oder kurz?«
    »Weder noch, eher halblang.«
    »Na prima«, sagte ich, »damit haben wir in Rom etwa eine halbe Million Verdächtige.«
    »Was geschah dann?«, fragte Delia.
    »Dann wurde es dunkel.«
    »Was meinst du damit?«
    »Der Kerl hat mir irgendetwas Hartes auf den Kopf geschlagen. Vielleicht den kleinen Hermes. Mir wurde schwarz vor Augen und ich sackte auf die Knie. Das Nächste, an das ich mich erinnern kann, war Afra.«
    »Afra? Wer ist denn das?«
    »Eine junge Küchensklavin in unserem Haus, eine ziemlich dumme Gans. Sie stand plötzlich in der Tür und schrie aus Leibeskräften: ›Mörder, Mörder,

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