Das Löwenamulett
Mörder!‹«
»Und dann habt ihr den Kerl verfolgt?«
»Nein«, sagte Myron verzweifelt, »sie meinte mich. Versteht ihr: MICH!«
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»Wieso das?«
»Weil der andere längst geflohen war. Keine Spur mehr von ihm. Und vor mir lag der tote Senator und ich hielt den Dolch in der Hand.«
»Beim Herakles«, sagte ich, »das sieht nicht gut aus.«
»Nein, wahrlich nicht«, stöhnte Myron. »Afra rannte aus dem Zimmer und weckte mit ihrem Geschrei das ganze Haus. Da bin ich aufgesprungen und in den Garten gelaufen.
Die Tür stand offen. Wahrscheinlich ist der Mörder auf diesem Weg ins Haus gekommen. Die dumme Afra hatte bestimmt vergessen, sie abzuschließen. Ich wusste nicht, was ich tun sollte. Keiner wird mir das glauben, nicht wahr?« Er sah uns flehend an. »Niemand kennt mich hier. Alle werden denken, der neue Sklave hat seinen Herrn ermordet. Und um mich wäre es geschehen. Wer glaubt schon einem Sklaven?«
»Und dann bist du …?«
»Über die Gartenmauer geklettert und in euren Garten gesprungen. Ich muss fliehen, in die Stadt, mich am Flussufer oder in einer dunklen Gasse verstecken. Vielleicht kann ich morgen unentdeckt aus einem der Stadttore entkommen.«
»Und was willst du hier?«, fragte ich.
Als Antwort erhielt ich zunächst nur ein hilfloses Schulterzucken. Myron suchte nach Worten: »Also ich dachte …
vielleicht, dass …«
Als er merkte, dass wir ihn verständnislos anstarrten, gab er sich einen Ruck und erklärte freiheraus: »Schaut, was ich dem Mörder entwunden habe.«
Er öffnete seine rechte Hand und zeigte uns ein abge-rissenes Lederband, an dem ein rundes Amulett hing.
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»Das muss ich dem Kerl im Handgemenge vom Hals gerissen haben. Es lag neben mir auf dem Boden, als ich wieder zu mir kam. Vielleicht kann man damit …«
Schreie aus dem Nachbarhaus. Schlagende Türen, Hunde-gebell.
»Ich muss fort«, keuchte Myron. Auf seinem Gesicht sammelten sich kleine Schweißperlen, seine braunen Locken klebten ihm an der Stirn. »Hier, nehmt dieses Amulett. Vielleicht kann man damit … vielleicht könnt ihr … ich wusste sonst nicht … ich kenne hier doch niemanden.«
Er war kurz davor, in Tränen auszubrechen. Delia aber war die Ruhe selbst. Sie nahm das Amulett und griff nach Myrons Hand.
»Wir helfen dir«, flüsterte sie. »Versprochen. Wir lassen dich nicht im Stich.«
»Er ist über die Mauer geklettert!« Eine unbekannte Stimme drang aus dem Garten zu uns herauf.
»Ich muss weg«, sagte Myron und riss sich los. »Sonst finden sie mich.«
»Mach dir keine Sorgen«, sagte ich, »wir finden den Täter.«
»Wirklich?« Ein schwaches Lächeln huschte über sein Gesicht.
Ich hatte nicht die leiseste Ahnung, wie wir das anstellen sollten. Aber Myron tat mir leid, und ich wollte einfach etwas sagen, das ihm Mut machte. Auch wenn ich wusste, dass es ziemlich dumm war, ihm etwas zu versprechen.
»Iupiter wird dich beschützen«, sagte Delia.
»Und Hera auch«, fügte ich hinzu.
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Jetzt lächelte Myron tatsächlich. »Na, dann muss ich mir ja wirklich keine Sorgen machen. Habt großen Dank!« Und schon war er aus dem Zimmer und über den Balkon verschwunden.
Draußen wurden die Stimmen lauter. Sie wussten, wen sie suchten. Würde Myron es schaffen? Wir drückten ihm alle Daumen und baten Iupiter und Hera um eine glückliche Flucht.
»Meinst du, er schafft es?«, fragte Delia mich, nachdem wir unsere Stoßgebete beendet hatten.
Wenn ich ehrlich gewesen wäre, hätte ich Nein sagen müssen. Ein flüchtiger Sklave, ganz auf sich gestellt, allein in dieser riesigen Stadt?
»Bestimmt«, sagte ich. »Er ist klug. Er wird es schaffen.
Aber jetzt brauchen wir etwas Licht, um das Amulett besser sehen zu können.«
»Moment«, sagte Delia, sprang aus dem Bett und flitzte durch die Tür.
Kurz darauf war sie wieder im Zimmer, mit einem bren-nenden Öllämpchen in der Hand, das sie unten an der Glut des Küchenfeuers entzündet hatte. Im Haus war es ruhig, niemand hatte etwas von unserem Besuch und den Ereignissen im Nachbarhaus mitbekommen.
Delia setzte sich zu mir aufs Bett, in der einen Hand das Öllämpchen, in der anderen das Amulett. Es war ein runder flacher Anhänger aus einem wertlosen Metall, der auf jeder Seite eine Prägung hatte. Auf der einen Seite erkannte ich einen fauchenden Greifen, dieses seltsame Tier aus den alten Mythen. Es hat den Körper eines Löwen, den Kopf eines 30
Adlers und zwei spitz aufgerichtete Ohren. Der Greif stand auf den Hinterbeinen
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