Das Lustschiff
freizügig.
»Du bist einfach verklemmt. Nimm dir ein Glas, und du taust auf, versprochen.« Er grinste sie unverschämt an, und ihr schlug eine leichte Fahne entgegen. Leonard hatte gewiss in mehr als nur ein Glas zu tief geschaut.
»Lass mich doch einfach in Ruhe, ja?« Der Abend war so schon belastend genug. Ihr fehlte Josh. Das Brennen in ihrer Brust war kaum zu ertragen. Sie konnte nicht verstehen, warum er sich ihr gegenüber so grausam verhielt. Was hatte sie nur falsch gemacht? Sie blickte sich nach ihm um, aber er war nicht hier. War er überhaupt mit an Land gekommen? Es musste wohl so sein, die Crew hatte niemanden an Bord zurückgelassen.
»Du hast wohl nie gute Laune?«
Sie wollte etwas Schlagfertiges erwidern, aber da gingen plötzlich die Lichter im Saal aus, nur ein einziger Spot richtete sich auf die elegante Wendeltreppe, an deren oberem Ende ein Mann im Schatten stand. Der DJ legte eine andere Scheibe auf, und der Mann kam die Treppe im Takt der Musik herunter. Er war sehr schlank, dennoch athletisch, trug eine schimmernde Augenmaske. Etwas an seinen Bewegungen kam Carolin vertraut vor. Sie waren elegant und doch bestimmt.
»Das ist Osburne«, sagte Leonard und schnappte sich ein Weinglas von einem der vorbeieilenden Kellner.
»Osburne?« Er war hier? Nun ja, es war auch seine Party. Sie hätte dennoch nicht erwartet, dass sich der Multimillionär zu den einfachen Leuten gesellte, mit ihnen feierte.
»Ein Partylöwe durch und durch. Sympathisch, der Mann.« Leonard trank sein Glas in einem Zug leer.
»Guten Abend, verehrte Damen und Herren. Ich begrüße Sie auf Passionata. Der Name dieser Insel ist Programm. Ich hoffe, dass Sie hier ein paar unvergessliche Stunden verbringen können, und lade Sie herzlich ein, auch in der nächsten Saison wieder mit Sea Tours zu reisen.« Der Lichtkegel folgte Osburne, während er seine Gäste begrüßte. Was für ein Auftritt! Der Kerl war vermutlich selbstverliebter als Leonard und Manfred Fiedler zusammen, musste sich vor aller Augen groß in Szene setzen. Gleich einem König, der dem Fußvolk gnädig zuwinkte. Völlig abgehoben. Carolin wollte gehen und ihn seine Show abziehen lassen, aber in dem Moment nahm er die Maske ab und sie erkannte die markanten Züge wieder.
»Das … ist nicht Erik Osburne.« Das war Josh Sullivan!
»Aber sicher ist er das. Ich fahre schon länger auf der Sea Love , ich kenne den Mann.«
Sie schüttelte den Kopf. »Das ist einer unserer Passagiere.«
»Das hat er dir vielleicht erzählt, Süße. Osburne reist oft inkognito.«
Sie konnte es nicht glauben. Dieser eigenartige, surreale Auftritt fühlte sich wie ein Alptraum an. Josh war Osburne? Der Inhaber von Sea Tours ? Die Menschen sammelten sich um ihn, prosteten ihm zu, tranken auf sein Wohl. Und er ergötzte sich augenscheinlich an der Aufmerksamkeit und dem Rummel um seine Person. Weshalb hatte er ihr nicht von Anfang an gesagt, wer er war, wenn er das Bad in der Menge doch so liebte?
Natürlich! Wie hatte sie nur so blind sein können! Auf einmal ergab alles einen Sinn. Josh hatte ihr nichts gesagt, weil sie für ihn nur eine kleine Affäre war. Deswegen hatte er sich auch auf so herzlose Weise von ihr losgesagt. Weil sie ihm nichts bedeutete. Sie war eine von vielen. Was wollte ein Millionär auch mit einem einfachen Mädchen? Natürlich war sie nur ein Zeitvertreib für ihn. Sie fühlte sich so unendlich dumm, weil sie auf seine Spiele hereingefallen, ihm verfallen war. Sogar jetzt noch.
»Ich muss gehen«, sagte sie.
»Wohin denn?«, rief Leonard ihr nach.
Sie wollte einfach raus, raus aus dieser Protzvilla, weg von ihm! Denn das Schlimmste war, dass sie diesen Mistkerl immer noch liebte. Oder viel mehr den einfachen Josh Sullivan, der charmant und ein wenig verrückt, aber sehr liebenswert war.
Mit Osburne aber wollte sie nichts zu tun haben. Diesen Widerspruch musste sie erst mal verarbeiten.
Carolin rannte aus der Villa, immer weiter, tiefer hinein in den Kiefernwald. Doch sie war nirgends ungestört, überall waren Menschen. Sie stöhnten und keuchten, sie seufzten vor Lust und Verlangen. Irgendwann merkte sie, dass sie im Kreis gelaufen war. Eine Flucht von der Insel, vor Osburne, war nicht möglich. Sie konnte nur aufgeben. Carolin ließ sich erschöpft auf einem kleinen Felsen am Strand nieder und blickte auf das Meer hinaus. Die Wellen rollten sanft zu ihr herüber, hinterließen Spuren aus Schaum im Sand.
Wieso hatte er ihr das angetan? Womit
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