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Das Luxemburg-Komplott

Das Luxemburg-Komplott

Titel: Das Luxemburg-Komplott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian von Ditfurth
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Gesicht lese ich eine Frage. Die habe ich mir auch schon gestellt, und dabei wurde mir angst und bang.«
    »Das ist keine Frage, sondern eine Tatsache. Es ist unmöglich, Sie auf diese Entfernung zu verfehlen. Es sei denn, Sie konnten besonders geschickt oder glücklich ausweichen.«
    »Ich bin zur Salzsäule erstarrt«, erwiderte sie. »Als diese furchtbaren Männer auftauchten, habe ich sie angeglotzt. Das gebe ich zu. Einfach nur geguckt. Das ist nicht besonders heldenhaft. Ich hätte etwas befehlen müssen, damit diese Verbrecher gestellt würden. Aber ich habe geschwiegen und geglotzt.«
    »Und die Männer haben Sie erkannt?«
    »›Das ist sie!‹ hat einer gebrüllt und auf mich gezeigt.«
    »Haben die angelegt auf Sie?«
    Sie schaute ihn kurz irritiert an. »Ja, doch. Das haben sie.«
    »Es ist ausgeschlossen, dass einer mit einem Gewehr auf sieben Meter vorbeischießt. Und es waren ja mehrere.« Er stellte sich wieder neben Rosa und drehte sich um zur Wand. Darin waren zahlreiche Einschüsse. Er durfte nicht vergessen, Lohmeier anzuweisen, die Kugeln aus der Wand zu holen.
    »Was ist Ihre Schlussfolgerung?« fragte Rosa.
    »Dass es kein Attentat auf Sie gegeben hat.« Während er es sagte, verstand er, was es bedeuten konnte. »Da hat jemand so getan, und dafür haben Menschen mit ihrem Leben bezahlt. Sie wurden absichtlich verschont. Diese Leute wussten, wie man einen Karabiner bedient, sie haben das bestimmt beim Militär gelernt.« Ihm fielen die Wochen des Drills ein, dem auch er unterworfen war, eine unmenschliche, entwürdigende Schinderei. Aber Schießen, das hatten sie gelernt. »Haben Sie eine Idee, wer ein Attentat vortäuschen könnte?«
    Sie schaute ihn ratlos an. »Das ist doch verrückt.«
    »Gewiss. Aber haben Sie eine bessere Erklärung?«
    »Kommen Sie mit ins Zimmer. Hier haben wir doch alles gesehen, oder?«
    Er folgte ihr. Sie bot ihm einen Platz an. Dann telefonierte sie, wenige Minuten später erschien Jogiches. Er war zornig. »Liebknecht überzieht. Ihm ist es ganz egal, was die Zentrale beschließt. ›Ich bin der Vorsitzende des Rats der Volkskommissare!‹ sagt er, wenn man ihm widerspricht.« Erst jetzt nahm er Zacharias wahr. Er winkte ihm zu mit einer kaum merklichen Handbewegung. »Nun, haben Sie das Attentat aufgeklärt, Genosse Zacharias?«
    »Er sagt, es gab keines«, sagte Rosa.
    »Dann haben wir uns die Schießerei da vorn« – er reckte den Arm zum Vorzimmer – »wohl nur eingebildet. Oder?«
    »Nein«, sagte Zacharias und erklärte ihm seine Gedanken.
    Jogiches starrte ihn erst ungläubig an, dann sagte er: »Das ist richtig. Ich hätte selbst darauf kommen müssen, dass sie nicht hätten vorbeischießen können. Und nun?«
    »Es war ein Mordanschlag, aber nicht auf die Genossin Luxemburg. Immerhin sind zwei Genossen ums Leben gekommen. Wenn Sie einverstanden sind, suchen wir diese Leute trotzdem. Wir sollten herausbekommen, wer dahintersteckt. Und warum diese Aktion inszeniert wurde.«
    Rosa nickte.
    Jogiches schaute Zacharias nachdenklich an. »Wem nutzt es? Das ist die erste Frage.«
    »Ob es eine Botschaft ist? Vielleicht heißt ihr erster Teil: Schaut her, wir können in die Reichskanzlei spazieren, dort Menschen erschießen und wieder verschwinden.«
    »Vielleicht sollten die Menschen, die getötet wurden, tatsächlich getötet werden?« murmelte Zacharias.
    »Wenn man auf sieben Meter nicht vorbeischießen kann, dann haben die doch wahrscheinlich auch nicht vorbeigeschossen«, sagte Rosa.
    »Was ist die Reaktion auf den Anschlag?«
    »Wir ersticken in Telegrammen«, sagte Rosa. »Es hat an verschiedenen Orten Übergriffe gegeben auf Leute, die im Verdacht stehen, gegen die Revolution zu arbeiten.«
    »Vielleicht sollte das Attentat bewirken, dass wir schärfer gegen die Konterrevolution vorgehen«, sagte Jogiches. »Von der Wirkung her betrachtet, war es eine erfolgreiche Aktion. Und wenn man untersucht, wem sie nutzt, wer also schon lange fordert, dass wir durchgreifen sollen, dann ist das die Leninfraktion, wer sonst?«
    Zacharias wurde es kalt und heiß. Er zog ein Taschentuch hervor, um sich den Schweiß von der Stirn zu wischen. Jogiches hatte recht. Sah man es so wie er, dann war jede andere Folgerung abwegig.
    »Und wenn es Verrückte waren?« sagte Zacharias. Und er dachte an die Meute, die durch die Straßen zog und die Revolution als Chance betrachtete, Menschen zu schikanieren und zu töten, Läden zu verwüsten oder Sitzungen von Räten ins Chaos zu

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