Das Luxemburg-Komplott
im Haus herum, dass er Sondervollmachten hatte, damit er die zeitraubenden Diskussionen loswurde. Als die beiden Milizionäre mit geschultertem Karabiner erschienen, befahl Zacharias ihnen, Lohmeier zu begleiten und auf ihn aufzupassen. »Ich möchte nicht, dass dieser Herr verschwindet oder dass ihm etwas passiert.«
Als Lohmeier mitsamt Begleitern abgetreten war, verließ Zacharias sein Dienstzimmer und stieg die Treppe hinunter in den zweiten Stock. Menschen eilten durch den Gang aus einem Zimmer in ein anderes, laute Stimmen waren zu hören. Er fragte eine Frau, wo der Leiter der Kriminalabteilung sitze. Er stand fast vor dessen Tür. Zacharias klopfte und trat ein. Drinnen saß ein Mann am Schreibtisch, auf Stühlen und einem Sofa lümmelten sich ungepflegte Gestalten herum, einer hatte eine Frau auf dem Schoß. Auf dem Schreibtisch stand eine Flasche Cognac, in einer Ecke entdeckte er eine Kiste voller Flaschen. Die Männer und die Frau waren betrunken.
Zacharias machte kehrt und schloss die Tür. Er rannte zu Eichhorns Dienstzimmer, ließ sich nicht aufhalten durch eine Sekretärin, die das Vorzimmer besetzt hatte, und stieß die Tür des Polizeipräsidenten auf. Eichhorn stand am Fenster und schaute hinaus. Er fuhr herum, schaute Zacharias zornig an und brüllte: »Sind Sie wahnsinnig?«
»In der Kriminalabteilung herrscht die Anarchie. Da zecht eine Meute von heruntergekommenen Gestalten. Die Herren trinken Cognac, den sie wohl irgendwo requiriert haben. Ich verlange, dass diese Figuren entlassen werden.«
»Dann gibt es Mord und Totschlag. Das sind verdiente Genossen. Der Leiter der Abteilung hat drei Jahre im kaiserlichen Gefängnis gesessen, war zuerst sogar zum Tode verurteilt.«
»Betrunkene Polizisten können wir nicht gebrauchen!« sagte Zacharias.
»Ja, ja, Sie haben ja recht. Aber wenn ich den Genossen Öhlschläger entlasse, mobilisiert er halb Spartakus und andere Schreihälse von der Straße.«
»Dann schießen Sie die zusammen. Wie sollen wir Ordnung schaffen? Sind Sie der Polizeipräsident oder nicht?«
Eichhorn setzte sich hinter seinen Schreibtisch und sah traurig aus. »Wir klären das zivilisiert. Wir sind keine Bolschewisten. Wir jedenfalls nicht.« Er schaute Zacharias böse an.
»Das nennen Sie zivilisiert?«
»Das sind Kinderkrankheiten. Revolutionen schäumen über, das ist normal.«
»Wenn der Pöbel in Machtstellungen kommt, wird er die Revolution ruinieren.«
»Sie können jetzt gehen.«
Zacharias überlegte, dann ging er. Es hatte keinen Sinn, sich mit Eichhorn herumzustreiten.
Wo bekam er Verstärkung her für seine Kommission? Er ging durch die Stockwerke, schaute in leere Zimmer. In anderen saßen Männer und Frauen herum. Nur eine Dienststelle schien zu arbeiten, das war die Leitung der Straßenpatrouillen. Zacharias bildete sich ein, den Leiter dieser Abteilung schon irgendwo gesehen zu haben, aber er konnte sich nicht erinnern.
Zurück in seinem Dienstzimmer spürte er die Nie dergeschlagenheit. Er schlug mit der Faust auf den Tisch, dass es schmerzte. Dann kam ihm eine Idee. Er rief in der Wilhelmstraße an und verlangte Jogiches zu sprechen. Zacharias hatte Glück, Jogiches war da. Er fragte ihn, wo er die Mitkämpfer aus Lichtenberg finden könne. Die gehörten inzwischen zur Wache in der ehemaligen Reichskanzlei, erwiderte Jogiches. Zacharias bat ihn, den Mann, der in Lichtenberg die Treppe bewacht habe, und den Maschinengewehrschützen ausfindig zu machen und zu ihm abzustellen. Er berichtete Jogiches von den Zuständen im Polizeipräsidium. Der war nicht ü berrascht. »Von Eichhorn können wir nicht mehr erwarten. Aber er ist wegen des Januaraufstands ein Symbol, und wir brauchen Symbole für den Sieg.«
Zwei Stunden später erschienen die Genossen aus Lichtenberg in Zacharias’ Dienstzimmer. Sie waren beide groß gewachsen. Der eine, Kramer, hatte einen knochigen Schädel mit buschigen Augenbrauen, der andere, Geyer, neigte zur Dickleibigkeit und strahlte Gemütlichkeit aus. Sie waren gespannt auf ihren Auftrag und stolz, als Zacharias ihn erklärte. Aber sie rümpften die Nase, als sie erfuhren, dass sie mit Polizisten des alten Systems zusammenarbeiten sollten. »Und dafür haben wir die Revolution gemacht?« murrte Kramer.
»Wenn Sie mir ein paar sozialistische Kriminalisten bringen, jage ich das Pack zum Teufel«, erwiderte Zacharias.
Kramer und Geyer schwiegen. Offenbar begriffen sie, dass sie sich damit abfinden mussten.
»Aber wir müssen
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