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Das Luxemburg-Komplott

Das Luxemburg-Komplott

Titel: Das Luxemburg-Komplott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian von Ditfurth
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noch Hunger?«
    Natürlich hatte er Hunger, aber er glaubte, seine Mutter würde nicht satt, wenn er noch etwas aß. Trotzdem schöpfte die Mutter noch eine Kelle Kohlsuppe aus dem Topf auf dem Tisch und schob ihm einen Kanten Kleiebrot zu. Er wollte protestieren, aber dann sah er den Blick der Mutter und schwieg. Sie schaute zu, wie er aß. Der Herd heizte die Küche.
    »Du kannst hier wohnen, solange du willst. Damit du es weißt.«
    »Ich weiß es noch nicht.«
    Sie schaute ihn kurz streng an. »Pass auf dich auf. Es wurden so viele getötet in den letzten Wochen. Dieser Spartakusaufstand war schrecklich. Und seitdem jagen sie jeden, den sie für einen Spartakisten halten. Sie fragen nicht lange. Ich hoffe, du weißt, auf was du dich einlässt.«
    Er staunte, die Mutter ahnte die Gefahren, die auf ihn lauerten. Er würde umziehen müssen in ein Versteck, er durfte die Mutter nicht gefährden. Aber wohin?
    Nach dem Essen legte er sich aufs Bett und dachte nach, wie er den Kontakt zur Partei aufnehmen konnte, ohne sein Leben aufs Spiel zu setzen. Dserschinski hatte gesagt, er solle Karl Retzlaw aufsuchen. Zacharias war sicher, Retzlaw wurde überwacht, wenn er nicht einsaß oder schon tot war. Was dann? Er drängte den Gedanken weg. Wenn sich herausstellte, dass Retzlaw tot oder nicht aufzufinden war, würde er nachdenken, was dann zu tun sei. Auf jeden Fall wäre es falsch, Genossen von früher zu suchen. Er wusste nicht, ob sie zu den Kommunisten übergetreten waren. Und wenn nicht, ob sie ihn verrieten.
    Wenn Retzlaws Wohnung überwacht wurde, was dann? Wie konnte er sich herausreden? Und würden sie ihm glauben? Eher nicht. Was war besser, mit Soldbuch hingehen oder ohne? Er dachte an die Streife, die ihn überprüft hatte. Es hätte auch schiefgehen können. Aber ohne Papiere würden sie ihn mitnehmen. Also doch das Soldbuch. Verdammt, er war Kriegsgefangener gewesen wie viele andere auch. Und er war im russischen Chaos hängengeblieben. Er habe für die Weißgardisten gekämpft, die Konterrevolution, das würde er sagen. Sie sollten doch den Admiral Koltschak fragen, für den habe er gekämpft, um die Roten aus Moskau und Petrograd zu verjagen. Retzlaw? Den kenne er nicht, er habe im Haus nach einem alten Schulkameraden gesucht. Die Ausrede war dürftig, vielleicht fiel ihm auf dem Weg noch etwas Besseres ein. Er hatte keine Wahl, er musste es darauf ankommen lassen.
    Zacharias fuhr mit der Straßenbahn zum Gesundbrunnen. Er hätte früher aussteigen müssen, fuhr aber absichtlich zu weit, um sich der Strelitzer Straße vorsichtig zu Fuß zu nähern. Dort in der Nähe lag das große Werk der AEG in der Voltastraße. Er fand das große Mietshaus gleich, die Eingangstür war nicht abgeschlossen. Er schaute sich um, sah aber niemanden, der ihn beobachtete. Er musste in das dritte Hinterhaus der Mietskaserne. An den Wänden des Hinterhofs sah er ein Schild: »Das Spielen der Kinder auf dem Hofe ist verboten!« Dann stand er vor einer braun gestrichenen Wohnungstür, auf einem handgemalten Holzschild las er »Retzlaw«. Er klopfte an die Tür. Nichts. Er klopfte noch einmal. Zacharias wartete, aber niemand öffnete. Er fluchte leise. Sollte er weiter warten? Es würde auffallen. Dann klopfte er an der Wohnungstür gegenüber. War das vernünftig? Schritte näherten sich der Tür, dann hörte er, wie ein Schlüssel im Schloss gedreht wurde. Die Tür öffnete sich einen Spalt weit, eine alte Frau schaute Zacharias an, neugierig und vielleicht ein wenig ängstlich. »Ich suche Frau Retzlaw«, sagte Zacharias.
    Die Frau ließ den Blick an ihm hinunter- und wieder hochstreifen. »Woher soll ich wissen, wo die ist? Sie sind bestimmt von der Polizei. Also, ich habe mit diesen Leuten nichts zu tun. Gar nichts.«
    »Vielen Dank«, sagte Zacharias. »Auf Wiedersehen.«
    Die Frau erwiderte den Gruß nicht und schloss die Tür.
    Zacharias ging zurück in den Hof. Ihm kam eine ältere Frau entgegen, Taschen in beiden Händen. Sie atmete schwer. Zacharias blieb stehen. Die Frau erschrak, als sie ihn sah.
    »Sind Sie Frau Retzlaw?«
    Die Frau musterte ihn. »Wer sind Sie?«
    »Sebastian Zacharias. Ich suche Karl Retzlaw.«
    »Das tun zur Zeit viele.«
    »Ich bin nicht von der Polizei«, sagte Zacharias. Er schaute betont nach oben. »Hier können wir uns nicht ungestört unterhalten.«
    »Bleibt mir ja nichts anderes übrig, als Sie in die Wohnung zu lassen.«
    »Geben Sie mir die Taschen.«
    Sie überlegte kurz, dann sagte sie:

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