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Das Luxemburg-Komplott

Das Luxemburg-Komplott

Titel: Das Luxemburg-Komplott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian von Ditfurth
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»Hat es wenigstens einen Nutzen.« Sie gab ihm die Taschen, die waren schwer. Sie führte ihn in die Küche, bot ihm aber keinen Platz an. Die Taschen stellte er vor dem Küchenschrank auf den Boden.
    »Und?«
    »Ich heiße Sebastian Zacharias. Ich komme von Lenin und will der Partei helfen.«
    Ihre Augen zeigten Misstrauen. »Von Lenin? Kleiner geht es wohl nicht?« Sie schüttelte den Kopf.
    »Ich war Kriegsgefangener.« Zacharias berichtete kurz von seinem Lebensweg. Dass er für die Tscheka arbeitete, erwähnte er nicht. »Rosa Luxemburg kennt mich. Sie war meine Lehrerin auf der Parteischule 1909. Der Genosse Retzlaw kann sie nach mir fragen.« Er ü berlegte, ob sie sich an ihn erinnern würde, sie hatte viele Schüler gehabt.
    »Rosa Luxemburg«, sagte sie. »Soso.« Sie zeigte auf einen Stuhl. »Die Spartakisten werden gejagt. Von der Polizei, von den Freikorpsbanden, die Ebert und Scheidemann an der Macht halten. Und da kommen Sie zu mir und wollen mitmachen. Soso.«
    Zacharias nickte.
    »Falls ich meinen Sohn zufällig treffe, werde ich ihm sagen, dass Sie hier waren.«
    »Wann kann ich wieder herkommen?«
    »Überhaupt nicht. Sehen Sie lieber zu, dass Sie heil nach Hause kommen. Das Haus wird beobachtet, sie warten auf meinen Sohn. Geben Sie mir Ihre Anschrift und warten Sie, vielleicht erhalten Sie eine Nachricht.«
    Sie stand auf, er sollte gehen.
    Zacharias nannte ihr die Anschrift. Sie schrieb nicht mit. Dann hielt er ihr die Hand hin. Frau Retzlaw übersah sie. Sie schaute ihm nach im Flur, bis er die Wohnungstür von außen geschlossen hatte. Er ging zum zweiten Hinterhaus und klopfte im ersten Stock an eine Tür, ein Messingschild verriet den Namen: »Ebenbein«. Er hörte ein Pochen, es wurde lauter. Schließlich öffnete sich die Tür, ein Mann auf Krücken stand im Eingang, ihm fehlte das linke Unterbein. Zacharias sagte: »Entschuldigen Sie bitte die Störung. Hier hat vor einigen Jahren ein Schulfreund von mir gewohnt. Er hieß Klaus Miletzke. Oder habe ich mich im Haus vertan?«
    Der Mann schaute ihn neugierig an. »Miletzke, nie gehört. Wir wohnen hier schon seit elf Jahren. Oder sind es zwölf? Nein, da müssen Sie sich vertan haben. Das hier ist die Strelitzer Straße 11. Sie sind sicher, Ihr Freund wohnte hier?«
    »Jetzt bin ich mir nicht mehr sicher. Ist lange her, und dann der Krieg.«
    »Ja, der Krieg.« Er schaute hinunter auf seinen Stummel. »Mich hat er zum Krüppel gemacht. Verdun. Und was ist der Dank des Vaterlands?« Seine Hand wart Unsichtbares weg. »Erst verheizt, dann beschissen. Und die neue Regierung, das sind doch die Stiefelputzer des Kaisers. Ebert, wenn ich den schon höre. Als die Truppen von der Westfront nach Berlin marschierten, da quatschte er: ›Kein Feind hat euch überwunden.‹ So ein Blödsinn. Waren Sie an der Front?«
    »Im Osten, die meiste Zeit.«
    »Da ging es ja wohl noch. Aber im Westen haben wir nach den grandiosen Ludendorff-Offensiven nur noch Dresche gekriegt. Die anderen wurden immer mehr, ich sag nur, die Amerikaner, und wir immer weniger. Das einzig Vernünftige, was die Oberste Heeresleitung zustande gebracht hat, war die Bitte um Waffenstillstand. Wenn es den nicht gegeben hätte, die hätten uns zu Klump gehauen, ich sag es dir, Kamerad. In wenigen Wochen. ›Kein Feind hat euch überwunden.‹« Er lachte wie eine Ziege. »Wollen Sie auf einen Klaren reinkommen? Es gibt ja niemanden mehr, mit dem man vernünftig reden kann.«
    Zacharias nahm die Einladung an. Sie setzten sich in die Küche. Es stank, und es war schmutzig. Zacharias sah eine Kakerlake, die eilig unter dem Küchenschrank verschwand. Der Mann öffnete die Tür des Schranks und nahm eine halb leere Flasche heraus. Er wusch zwei Schnapsgläser mit kaltem Wasser ab und stellte sie auf den Tisch. Dann schenkte er beide Gläser voll. »Im Osten waren Sie«, sagte er. »Da regieren ja nun die Bolschewisten. Ich hab nichts gegen die, das sag ich Ihnen gleich. Dagegen sind unsere Spartakisten Witzfiguren, kriegen nicht mal ’nen kleinen Aufstand hin. Aber der Liebknecht, das ist ein richtiger Kerl, kommt ganz nach seinem Vater. An dem liegt es nicht, dass es mit dem Sozialismus nichts wird in Deutschland. Der hat sich nichts vormachen lassen. Wissen Sie, ich war immer Sozialdemokrat, solange ich denken kann. Eingetreten bin ich nie, aber gewählt hab ich immer die SPD. Und bei der Nationalversammlung, da hab ich den Unabhängigen meine Stimme gegeben. Vielleicht hätt ich auch die

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