Das Luxemburg-Komplott
Judensäuen. Wohl selber einer, was?«
»Ich war in Kriegsgefangenschaft, die haben mich festgehalten, Arbeitseinsatz«, sagte Zacharias. »Und jetzt bin ich endlich zu Hause.«
Der Streifenführer schaute noch einmal in das Soldbuch, dann auf Zacharias. »Interessant. Solche Vögel wie dich habe ich schon kennengelernt. Du hast deine Kriegsgefangenschaft eigenmächtig verlängert, um nicht mehr fürs Vaterland kämpfen zu müssen. Stimmt’s?« Er wartete die Antwort nicht ab, sondern wandte sich an einen Soldaten und sagte: »Durchsuchen.«
Der Mann tastete ihn ab, fand aber nichts.
Der Streifenführer musterte Zacharias. »Und jetzt?«
»Arbeit suchen.«
»Als was?«
»Dreher.«
»Soso, einen richtigen Proleten haben wir hier, und der kommt gerade aus Russland. Wenn ich schlecht gelaunt wäre, ließe ich dich jetzt erschießen. Du hast Glück, riesiges Glück, dass ich es nicht bin. Aber ich merke mir deine Bolschewistenfresse. Ich habe ein gutes Gedächtnis, gerade für Leute wie dich.« Mit einer kurzen Handbewegung zeigte er Zacharias, er solle weitergehen.
Zacharias zwang sich, ruhig zu gehen, er spürte den Blick des Streifenführers noch lange im Rücken. Er würde darauf achten, nie etwas Verdächtiges mitzuführen. An der nächsten Kreuzung bog er rechts ab in die Wildenbruchstraße, dort hatte ein Schulfreund gewohnt, aber Zacharias wollte nicht stehenbleiben.
Mittags war er wieder zu Hause. Die Mutter stand in der Küche, es roch nach Kohlsuppe. Ob sie jeden Mittag heimkam? Auch wenn er nicht zurückgekehrt wäre?
»Sind viele Streifen unterwegs, suchen Spartakisten«, sagte die Mutter.
»Mich haben sie auch angehalten. Es ist unglaublich, was die sich rausnehmen.«
»Es sind Eberts Soldaten. Wie gut, dass Vater das nicht erleben muss. Er wäre verzweifelt.«
Die Mutter stellte Suppenteller auf den Tisch. Zur Suppe gab es Kleiebrot. Sie aßen schweigend. Als sie fertig war, griff die Mutter in die Schürzentasche und legte die Münze auf den Tisch. »Das kann ich nicht annehmen«, sagte sie.
Er schob ihr das Goldstück wieder hin. »Es ist richtig so.« Er überlegte, was Dserschinski dazu sagen würde. Bestimmt nicht, dass er seiner Mutter auf der Tasche liegen sollte. Aber vielleicht würde er fordern: Alles Geld für die Revolution. Moskau war weit weg, er musste selbst entscheiden, was richtig war, im Großen und im Kleinen. Er fand es richtig, seiner Mutter Geld zu geben. Er schmarotzte nicht bei einer Putzfrau.
Die Mutter schaute ihn traurig an. »Jemand, der Gold mit sich trägt, sucht keine Arbeit.«
»Doch, doch«, sagte Zacharias. »Ich werde arbeiten. Aber nicht mehr an der Drehbank.«
»Was dann?«
»Es ist besser für dich, du weißt nichts.«
Sie nickte, aber das zeigte keine Zustimmung, sondern dass sie etwas begriff. »Du arbeitest für die Russen«, sagte sie.
»Es ist besser, du weißt nichts«, wiederholte er.
»Vielleicht«, erwiderte sie. Sie klang enttäuscht. Vielleicht überlegte sie, was ihr Mann dazu gesagt hätte. Zacharias fühlte sich nicht wohl, er ahnte, was der Vater über Russland gedacht hätte: »Mord und Totschlag, Diktatur, das ist doch kein Sozialismus. Damit haben wir Sozialdemokraten nichts zu tun.«
»Aber Mord und Totschlag gibt’s auch in Deutschland. Ich sage nur Noske.«
Der Vater hätte den Kopf geschüttelt und gesagt: »Ja, ja, der Noske ist ein Schlächter. Der hatte schon immer eine Schwäche fürs Militär. Aber allein schuld ist er nicht. Wenn Liebknecht und Rosa putschen, was soll man da machen?«
»Aber SPD und USPD hatten doch die Macht. Warum lassen sie sich die aus der Hand nehmen? Warum wollten sie die Nationalversammlung und nicht die Räte?«
»Weil wir Sozialdemokraten Demokraten sind. Sagt schon der Name. Das Volk soll entscheiden und nicht ein paar Schreihälse auf Sitzungen von Räten. Karl und Rosa haben ja nicht mal Mandate gekriegt für den Rätekongress. Früher warst du auch mal Demokrat, aber heute bist du Putschist. Ich sag dir eines, dein Lenin macht es nicht mehr lang. Man kann nicht gegen ein ganzes Volk Krieg führen. Das ist ein Fanatiker.«
Wie soll man einem Toten beibringen, dass in diesen Zeiten morgen alles ganz anders aussehen kann als heute? Wie soll man abstimmen in Revolutionen, wenn jeden Tag die Stimmung umschlagen kann?
Die Mutter schaute ihn an über den Tisch. »Hast du nach Margarete gefragt?« Sie sagte es wohl, um über etwas anderes zu sprechen.
Er schüttelte den Kopf.
»Hast du
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