Das Luxemburg-Komplott
trübe Ahnungen über die Zukunft. »Ich hau mich eine Weile hin«, sagte Zacharias. »Wenn ihr wollt, teilt mich ein für eine Schicht.«
»Mal sehen«, sagte Manfred.
Zacharias ging hoch und legte sich aufs Bett. Als der Schlaf heranrückte, klopfte es an der Tür. Jogiches trat ein. Zacharias setzte sich auf.
»Einen Leibwächter brauchen wir nicht. Er würde mehr stören als nutzen.«
Zacharias verstand, sie wollten keinen Leibwächter, der aus Lenins Russland kam. Verstand er Jogiches richtig?
»Heute schlafen Sie sich erst einmal aus, morgen sehen wir weiter. Ich weiß noch nicht, wo wir Sie verwenden können. Vielleicht schicken wir Sie nach München, dort sind wir schwach.« Er überlegte eine Weile. »Wo sind wir das eigentlich nicht?« Er schlug sich leicht auf den Oberschenkel. »Also, dann schlafen Sie mal.«
Nachdem Jogiches gegangen war, fluchte er leise. München, da wäre er weit weg von seinem Auftrag. Allerdings, dort kannte ihn keiner, und er wäre sicherer als in Berlin. Du wirst es heute nacht nicht ändern, schlaf.
Irgendwann schlief er ein. Wieder quälten ihn die Träume aus Russland. Der Bauer mit dem Loch im Kopf. Bilder anderer Leichen. Es knallte, dann hörte er Schreie. Als er aufwachte, glaubte er zu träumen. Aber dann tackerte draußen ein Maschinengewehr. Motoren heulten.
Er stand auf, griff nach der Mauser und rannte aus dem Zimmer. Aus der Empfangshalle drang Geschrei. Wieder Schüsse. Dann Schritte auf der Treppe, sie kamen näher. Zacharias rannte zum Zimmer von Jogiches. Er riss die Tür auf, da fiel ein Schuss. Er sah das Blitzen der Mündung. Die Kugel pfiff an seinem Ohr vorbei. »Ich bin’s, Zacharias!« brüllte er. »Wollen Sie mich erschießen? Wo ist der Hinterausgang?«
»Unten, Küche«, sagte Jogiches. Er klang verzweifelt. Er schaltete das Licht ein.
Dann öffnete sich die Tür des Nebenzimmers, Rosa trat herein. »Leo, reiß dich zusammen. Sie sollen uns später nicht nachsagen, wir hätten gezittert.« Sie hatte eine feste Stimme.
»Wir versuchen, uns nach unten durchzuschlagen, hier oben kriegen sie uns.«
»Verrückt!« sagte Jogiches.
»Halten Sie den Mund!« sagte Zacharias. Er gab nun die Befehle. »Bleiben Sie hier, verhalten Sie sich ruhig.«
Zacharias schaltete das Licht aus, schlug die Mauser an und öffnete vorsichtig die Tür. Er linste hinaus. Unten brannte Licht, es erhellte auch das Treppenhaus. Er hörte Geräusche, offenbar durchsuchten sie gerade sein Zimmer.
»Die sind doch alle hinüber«, sagte einer. »Sicher ist sicher«, sagte der andere. »Und die Luxemburg und dieser Jogiches. Die sollen sich doch auch hier verstecken.«
Zacharias schlich hin. Die beiden Freikorpsmänner durchsuchten sein Bett. Sie kehrten ihm den Rücken zu. Schnell trat er ins Zimmer und zog die Tür hinter sich zu. Die beiden Soldaten starrten ihn an, als wäre ein Toter zu den Lebenden zurückgekehrt. Ein Karabiner lag auf dem Tisch, der andere auf dem Boden.
»Ein Mucks, und ihr seid tot«, zischte Zacharias. »Wie viele seid ihr?«
Keine Antwort.
Zacharias hob die Mauser.
»Zwölf«, sagte der eine. Er war bleich unter seinem roten Schopf. Es konnte nicht lange dauern, bis weitere Soldaten nach oben vordrangen, um auch dort alles zu durchsuchen. Und zu plündern.
»Umdrehen!« befahl Zacharias. »Auf die Knie.«
Sie drehten sich um und knieten nieder. »Nein, nicht!« Der Rotschopf zitterte, fürchtete, erschossen zu werden.
Zacharias nahm den Karabiner vom Tisch und schlug dem Rothaarigen den Kolben auf den Kopf. Mit einem Seufzen brach er zusammen. Auf dem Hinterkopf weitete sich ein roter Fleck. Der andere stammelte: »Nein!«, dann traf auch ihn der Schlag.
Zacharias legte das Gewehr zurück auf den Tisch, drehte das Licht aus und schloss die Tür von außen. Dann schlich er zurück zu Rosa und Jogiches. »Gibt es hier einen Sicherungskasten?«
Jogiches zuckte die Achseln. Rosa verzog keine Miene. Sie war blass und bereitete sich auf den Tod vor.
»Eine Kerze anzünden, schnell!« befahl Zacharias.
Jogiches fand eine Kerze und zündete sie an.
Zacharias griff nach einem Stuhl, schob ihn in die Mitte des Zimmers, kletterte darauf und riss die Lampe herunter. Er schraubte die Glühbirne heraus und zog mit einem Ruck die Fassung vom Kabel. Nun lagen zwei blanke Kabelenden frei. Zacharias packte sie an der Isolierung und führte die blanken Enden zusammen. Ein Funken, es qualmte und roch verbrannt. Zacharias fluchte vor Schmerzen, er hatte
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