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Das Luxemburg-Komplott

Das Luxemburg-Komplott

Titel: Das Luxemburg-Komplott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian von Ditfurth
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redegewandt waren Sie auch. Sie waren im Krieg?« fragte Rosa.
    »Fast nur im Osten. Dort geriet ich in Gefangenschaft. Aus der befreite mich die Revolution.«
    »Und jetzt sollen Sie in Deutschland zum Propheten von Lenins Lehren werden. Irgendwer sprach zuletzt sogar vom Leninismus.« Sie lachte. »War das nicht Pieck?«
    Jogiches schüttelte den Kopf. »Von selbst wäre ihm das nicht eingefallen.«
    »Wir haben da ja auch schon die Einladung bekommen zur gemeinsamen Messe. Die nennt sich Kommunistische oder Dritte Internationale, weil Lenin glaubt, wenn obskure Sekten sich verbinden, wäre das gleichbedeutend mit dem Jüngsten Gericht für das Kapital.«
    »Aber sollten sich die Revolutionäre aller Länder nicht zusammentun?«
    »Gewiss, das haben wir schon 1914 verlangt. Aber wo sind sie, diese Revolutionäre? Da gibt es ein paar Anarchisten und sonstige skurrile Gestalten. Moskauanbeter und Schlagetots. Ich gestehe, ein paar von denen haben wir auch in der Partei. Aber in anderen Ländern sind sie die Partei. Da machen ein Dutzend Wirtshausschwätzer großes Geschrei, und schon lädt Lenin sie nach Moskau ein, um endlich seine Internationale zu gründen. Man muss ja glauben, je früher er sie gründet, desto größer ist die Macht der Bolschewiki in ihr. Sie werden diese unreifen Elemente mit ein paar ultrarevolutionären Sprüchen auf ihre Seite ziehen und uns dann das Abenteurertum als Medizin gegen unsere Erfolglosigkeit verordnen. Aber kommen wir zu anderen Dingen. Was haben Sie in Russland gemacht?«
    Zacharias berichtete ausführlich von seiner Arbeit unter den Kriegsgefangenen. Die Tscheka ließ er aus. Dann sagte er: »Ich möchte Sie beschützen, ich kann das.«
    Rosa schaute ihn lange an. »Und warum gerade mich? Warum nicht Liebknecht oder Jogiches? Oder auch Zetkin?«
    »Ich hoffe, etwas zu lernen.« Zacharias erschrak über seine Antwort.
    Aber Rosa lachte. »Da ist was dran, nicht wahr, Leo?«
    Leo schnaubte, aber Zacharias merkte, er war nicht böse.
    »Ein lernwilliger Leibwächter, das gab es wohl noch nicht. Ich finde die Idee nicht übel. Wir denken darüber nach.«
    »Ich brauche eine neue Unterkunft«, sagte Zacharias zu Jogiches. »Die Polizei hat mich auf dem Kieker.«
    Jogiches nickte, dann sagte er: »Heute bleiben Sie hier, dann werden wir sehen.« Er stand auf. »Kommen Sie.«
    Sonja erhob sich ebenfalls und folgte Zacharias. Jogiches führte sie die Treppe hinauf in eine Dachkammer. Darin standen nur eine Pritsche, ein Stuhl und ein kleiner Tisch. »Ist wie eine Zelle, nur nicht bewacht«, sagte Jogiches. »Aber hier findet Sie keiner, es sei denn, einer verrät uns.« Er schaute Zacharias und Sonja streng an, dann schloss er die Tür von außen.
    »Soso, Leibwächter der Genossin Luxemburg will er werden.« Sie lachte.
    Er hoffte, nicht zu erröten, und nickte.
    »Ich muss jetzt los, vielleicht sehen wir uns einmal wieder.« Sie beugte sich vor und küsste ihn auf die Wange. Sie roch gut. Dann ging sie.
    Zacharias setzte sich auf den Stuhl. Gedanken schwirrten durch seinen Kopf. Wie konnte die Polizei vom Treffen im Adlon erfahren haben? Hatte sie Radek überwacht? Hätte sie ihn dann nicht gleich verhaftet als gefährlichen bolschewistischen Aufrührer? Wollte sie das Risiko eingehen, dass er ihnen entkam, indem sie erst abwartete, mit wem er sich vielleicht traf? Wusste sie, dass Radek jemanden treffen wollte, und wenn ja, von wem? Sonja und ihm war niemand gefolgt, er hätte es gemerkt. Wenn Radek auch niemand gefolgt war, dann gab es einen Spitzel.
    Er drängte den Gedanken weg und wusste doch, dass er wiederkommen würde. Anderes war jetzt wichtiger. Wurde er zum Verräter an Rosa, wenn er ihr Leibwächter wurde? Was bedeutete seine Mission? Dass er sie beschützte und bespitzelte. Die Genossen in Moskau wollten wissen, was sie dachte und was sie plante. Was dachte Rosa Luxemburg über die neue Internationale? Was waren ihre Gegenargumente? Wo die Schwachstellen in ihren Gedanken? Wie dachten andere deutsche Genossen darüber? Gab es unterschiedliche Strömungen in der Partei? Wenn ja, welche konnte Moskau nutzen?
    Er zog die Schuhe aus, legte sich aufs Bett und streckte sich. Binnen eines Tages war er in Not geraten. Ergriff ihn die Polizei noch einmal, er würde nichts auf sein Leben setzen. Er war nun abhängig von Jogiches und Rosa. Aber sie würden nichts mehr für ihn tun, wenn sie erfuhren, welchen Auftrag Lenin und Dserschinski ihm in Moskau gegeben hatten. Führte er

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