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Das Luzifer Evangelium

Das Luzifer Evangelium

Titel: Das Luzifer Evangelium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Egeland
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vorn, als der Fahrer plötzlich bremste und einem Schlagloch auswich. Über der Mauer zwischen den Bäumen sah er den Turm einer Kirche.
    »Das«, sagte der Großmeister, »ist das Santa-Vergine-Maria -Kloster.«
    Giovanni erinnerte sich an einen Olivenhain, in dem er als Junge ein paar Herbstwochen lang gearbeitet hatte. Noch immer waren ihm die Gerüche präsent, der spezielle Duft der sonnengereiften Oliven, die trockene Erde, die Blätter und Insekten. Nach einiger Zeit hatte er richtiggehend Respekt vor den alten Bäumen verspürt, ihrer von den Klauen der Jahrhunderte aufgerissenen Rinde. Im Schatten der Olivenbäume hatte der junge Giovanni zum ersten Mal über die Zeit und das Leben nachgedacht. Schon damals war ihm bewusst geworden, dass die Zeit keine Linie war, an der das Leben entlanglief. Ein Uhrwerk misst nicht die Zeit, dachte Giovanni, es unterteilt sie in winzige Bruchstücke und schafft Ordnung.
    Sie bogen in den Klosterhof ein. Der schmiedeeiserne Zaun hatte sich an vielen Stellen dem Zahn der Zeit gebeugt. In der Mitte des Platzes stand ein ausgetrockneter Brunnen. Der muntere Cherub, der das Becken mit Wasser hätte füllen sollen, war mit einer Patina aus Vogeldreck, Moos und Vergessen überzogen. Für einen kurzen Moment sah Giovanni den Platz so vor sich, wie er früher einmal ausgesehen haben musste: Mönche hasteten zur Vesper, Tauben gurrten, im Brunnen plätscherte Wasser.
    Der Mercedes hielt vor der Treppe, die zum Eingang führte.
    »Da wären wir«, sagte der Großmeister.
    Einen Moment lang saßen alle still da, als vermöchte niemand aus dem Wagen zu steigen.
    »Sollen wir?«
    Sie stiegen aus und betraten die Klosterruine.

XIII : Das Unbekannte
    AL-HILLA
1. SEPTEMBER 2009

    »Oûäh?«
    Ich versuchte, den Namen so auszusprechen, wie CC es getan hatte.
    CC sah mich wie ein Vater an, der seinen verlorenen Sohn wieder aufnimmt. Voller echtem Mitgefühl.
    Das Absurde anzuerkennen, erschüttert das Fundament, auf dem man sein Leben aufgebaut hat. Niemand ist auf das Unfassbare, das Unbekannte vorbereitet.
    »Oûäh aus dem Weltraum?«
    Meine Stimme verriet, wie ich mich fühlte.
    CC trat an das Spülbecken, goss mir ein weiteres Glas Wasser ein und reichte es mir ohne ein Wort. Ich trank gierig.
    »Sie meinen vielleicht, dass ich Ihre Reaktion nicht verstehe«, sagte er. »Aber das tue ich.«
    Ich stellte das Glas ab und wischte mir den Mund ab.
    »Als ich das erste Mal davon gehört habe, bin ich wütend aus dem Besprechungsraum gestürmt. Ich war überzeugt davon, dass meine Kollegen mich aufziehen wollten.«
    Ich wusste immer noch nicht, was ich sagen sollte.
    »Unsere Weltanschauung basiert auf der Vermutung, dass wir Erdenbewohner allein im Universum sind. Einzigartig. Geschöpfe Gottes.« Er machte eine kurze Pause. »Eine ziemlich arrogante Vorstellung, wenn ich Ihnen meine ehrliche Meinung sagen darf. Allein in der Milchstraße gibt es hundert Milliarden Sterne. Und die Milchstraße ist nur eine von Billionen von Galaxien. Und da sind wir so naiv, uns einzubilden, wir wären allein in diesem unfassbar großen Universum?«
    Ich sagte nichts, schüttelte nur den Kopf. Ich versuchte, hundert Millionen Sterne mit Billionen von Galaxien zu multiplizieren, aber das wurden mir zu viele Nullen.
    »Dass uns etwas unfassbar erscheint«, sagte CC , »bedeutet nur, dass unser Hirn mit aller Macht zu verstehen versucht. Wie wahrscheinlich wäre einem römischen Soldaten oder einem Bauern im achtzehnten Jahrhundert ein Astronaut auf dem Mond erschienen? Weltweit live übertragen im Fernsehen? Würde ein Steinzeitmann ein Handy verstehen? Könnte sich ein Pharisäer zu Jesu Zeiten einen Computer oder eine Atombombe vorstellen? Sie lebten in einer anderen Zeit, mögen Sie vielleicht denken. Wie wir in einer anderen Zeit leben. Genau wie der Steinzeitmensch sind Sie und ich gefangen in der begrenzten Vorstellungskraft unserer Zeit.«
    Ich trank den Rest Wasser, während CC fortfuhr: »Wir Menschen machen leicht den Fehler, alles auf Basis unseres Wissens und unserer Erfahrungen zu beurteilen. Wir glauben, die Endstation der Entwicklung zu sein. Wir können uns keine Technologie vorstellen, die nicht auf dem aufbaut, was wir heute schon verstehen können. Sie und ich, Bjørn, sind wie zwei Höhlenmenschen, die die Mysterien der Quantenphysik verstehen sollen.«
    »Ich kann akzeptieren, dass es Lebewesen auf anderen Planeten gibt. Aber warum sollten sie die Erde besucht haben?«
    »Genau! Die

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