Das Luzifer Evangelium
Herausforderung sind die Distanzen. Der Weltraum ist so unfassbar groß. Der Stern Proxima Centauri liegt gute vier Lichtjahre entfernt, Tau Ceti zwölf. Und das sind die nächsten.«
»Und wie sind sie dann hierhergekommen?«
»Wir haben ihr Raumfahrzeug nicht gefunden. Wir können also nur raten. Unser Problem ist, dass wir zu primitiv sind. Verglichen mit Oûäh sind selbst unsere renommiertesten Astronomen und Physiker halb nackte Dschungeljäger, die eine Laserwaffe zu verstehen versuchen. Zukunftskonzepte wie Nuclear pulse propulsion , Fusionsraketen oder laserangetriebene Lichtsegel reichen nicht aus. Die sind zu langsam. Wir müssen komplett anders denken. Die Rede ist von Begriffen wie Tachyonen – die es streng genommen gar nicht gibt –, Tachyonfeldern und Tachyonkondensierung. Supraleitungen, bosonic string theory , Quantenfeldtheorie, gauge theory .«
»Äh …«
»Ich werde nicht einmal versuchen, Ihnen das zu erklären, Bjørn. Wir bewegen uns auf einem Gebiet, das selbst für die Physiker noch reichlich abstrakt ist. Gesunde Vernunft hat in der Quantenphysik nicht viel verloren. Um zwischen den Sternen zu reisen, brauchen wir ein neues kosmologisches Modell. Wir müssen uns von den Begrenzungen befreien, die Zeit und Raum, Lichtgeschwindigkeit und Naturgesetze, wie wir sie kennen, vorgeben.«
»Ich kann mich von gar nichts befreien.«
»Wir müssen anders denken. Die Abkürzungen zwischen den Dimensionen suchen. Die Wurmlöcher, die Raum und Zeit verbinden. Die Tunnel zwischen den Multiversen. Die Physiker glauben, dass es parallele Universen geben kann, Seite an Seite mit dem unsrigen. Alle sind beim Big Bang vor vierzehn Millionen Jahren entstanden. Alle haben sich parallel zueinander entwickelt. Und in jedem dieser Universen, Bjørn, gibt es ein Echo von Ihnen und mir.«
Von: Primus Pilus
Datum: 01. 09. 2009 20:55
An: Legatus Legionis
Kopie: Großmeister
Betreff: Bericht: al-Hilla /Babylon II
Code: S/MIME PKCS7
Dominus!
Voller Demut danke ich für die Auszeichnung und die Seligsprechung in Luzifers Namen. Viele Jahre meines Lebens habe ich unserer Bruderschaft gewidmet. Sanctus bellum war für mich immer der ehrenvollste Auftrag des Ordens. Natürlich, Dominus, stehe ich dem Orden zur Verfügung!
Primus Pilus: Bruder Raţ
XIV: Die Fremden
AL-HILLA
1. SEPTEMBER 2009
1
CC holte sich ein Bier aus dem Kühlschrank und sah mich fragend an. Ich schüttelte den Kopf. Mir schwirrte der Schädel so schon genug.
»Wenn die Erde von Außerirdischen besucht wurde«, sagte ich, »muss es dafür doch Beweise geben?«
»Sie meinen – über Oûäh hinaus?«
»Irgendetwas werden sie ja wohl zurückgelassen haben?«
Die Bierdose schäumte über, als er sie öffnete. Er lachte kurz.
»Andere Leute haben sehr viel unglaublichere Geschichten von Stippvisiten prähistorischer Astronauten auf der Erde vorgelegt, wissen Sie. Immanuel Velikovsky verfolgte biblische Geschichten und Mythen bis zu einem Zusammenstoß von Erde, Venus und Mars in vorgeschichtlicher Zeit zurück. Zecharia Sitchin vermutete einen unbekannten Planeten in unserem Sonnensystem, Niburu, der von einer hoch entwickelten Zivilisation bevölkert ist, die der Erde jedes Mal, wenn sie nah genug ist, einen Besuch abstattet. David Icke behauptet, die Erde würde von der Babylonischen Bruderschaft gelenkt – einer Rasse menschenähnlicher Reptilien unter der Führung von Elisabeth II., George W. Bush und Kris Kristofferson. Der bekannteste Astroarchäologe von ihnen allen aber ist der Schweizer Erich von Däniken. Buch auf Buch argumentiert er, dass die Erde im Altertum von außerirdischen Wesen besucht wurde – und dass überall auf der Welt archäologische Beweise dafür zu finden sind. Das Problem ist nur, dass die Außerirdischen seit vier-, fünftausend Jahren nicht mehr hier gewesen sind. Um Spuren zu finden, die sie hinterlassen haben, müssen wir zwischen den Zeilen der Mythen und Religionen suchen. In den Glaubensüberlieferungen leben die Zeugnisse dieser mystischen Himmelsgötter weiter.«
»In Form von Allegorien?«
»Ja. Mythen. Gleichnissen. Visionen. Offenbarungen. Selbst in der Bibel findet sich die Schilderung eines Raumfahrzeuges, das direkt vor den Augen eines begeisterten Propheten landet, der glaubte, eine religiöse Vision zu haben.«
Er schob ein dicht bedrucktes Blatt über den Tisch.
»Diese Offenbarung steht bei Hesekiel im Alten Testament. Machen Sie ein Experiment: Lesen Sie den Text mit heutigem
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