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Das Luzifer Evangelium

Das Luzifer Evangelium

Titel: Das Luzifer Evangelium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Egeland
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sich wieder mir zuwandte, bemerkte ich das Hörgerät in seinem rechten Ohr. Ich dachte mir meinen Teil. Ein halb blinder Albino, eine Stumme und ein schwerhöriger Professor. Wir waren wirklich eine beeindruckende Truppe.
    »Dirk und ich hatten über die Jahre eine rege Korrespondenz«, erklärte er. »Unsere Forschungsgebiete überschneiden sich mitunter.«
    Automatisch erhob ich meine Stimme: »Ja, das hat er erzählt.«
    »Dirk ist ein großartiger Mann.«
    »Es war mir eine große Freude und Hilfe, ihn getroffen zu haben.«
    »Dann hat er Ihnen vielleicht auch erzählt, dass ich Giovanni Nobiles Professur übernommen habe?«
    »Ja, das hat er erwähnt.«
    »Das war aber erst lange nach Nobiles Verschwinden. Die Professur war lange Jahre nicht besetzt. Man hoffte wohl, er würde zurückkommen.«
    Unten auf der Straße startete ein Lastwagen, vom Flur her waren aufgeregte Stimmen zu hören. Ich trank einen Schluck Kaffee und dachte, dass so wohl auch die geteerten Balken der Sennhütte in Juvdal schmecken würden, sollte ich an ihnen lecken.
    »Leider habe ich Giovanni Nobile nie persönlich kennengelernt«, fuhr er fort. »Der Altersunterschied war zu groß. Ich war noch Student, als der professore hier arbeitete. Ich war in einigen seiner Vorlesungen und wollte ihn eigentlich fragen, ob er meine Diplomarbeit betreut. Ich ging darin der Frage nach, wie das Werk Malleus Maleficarum , das Standardwerk über Hexen, in der Zeit von 1500 – 1850 das Verständnis der weiblichen Sexualität geprägt hat. Aber – wie Sie ja wissen – kam es leider nie dazu. Giovanni Nobile verschwand, und ich landete bei einem halsstarrigen Betreuer mit Mundgeruch und einem ungesunden Interesse für Studienanfängerinnen. Ich wurde nach Nobiles Verschwinden sogar von der Polizei verhört, weil man in seinem Büro einige meiner Briefe gefunden hatte. Aber natürlich konnte ich den Beamten nicht helfen.«
    Mit Widerwillen nippte ich an meinem Becher.
    »Ich weiß nicht, ob Nobile wirklich vermisst wurde. Vermutlich nicht. Er war ein verschlossener Mann, jemand, der sich eher bedeckt hielt. Und nach all den schrecklichen Geschehnissen … nun, die meisten haben ganz einfach nicht mehr über ihn geredet. Aber wer ihn persönlich gekannt hatte, mochte und respektierte ihn. Ich denke, viele seiner Studenten und Kollegen haben sich irgendwie vor ihm gefürchtet. Ja, gefürchtet! Vermutlich wegen der Dämonen, mit denen er sich in fachlicher Hinsicht umgab. Sein Fachgebiet war ziemlich umstritten. Sogar mehr als das. Besonders unter den gläubigen Katholiken hier in Italien, in Rom, an der päpstlichen Universität.«
    Es klopfte an der Tür. Ein Mann mit einer zu großen Brille steckte den Kopf herein und entschuldigte sich sogleich, als er sah, dass der Professor im Gespräch war. Aldo Lombardi rief ihn zurück: »Vittorio! Kommen Sie rein! Erinnern Sie sich an unser Gespräch über Bjørn Beltø aus Norwegen? Den Archäologen? Hier ist er. Bjørn, das ist Vittorio Tasso, der Semiotiker, einer meiner geschätzten Kollegen.«
    Ich nutzte die Gelegenheit, um meinen Plastikbecher mit Kaffee beiseitezustellen und zu vergessen. Wir begrüßten uns per Handschlag und tauschten ein paar Höflichkeiten aus. Er hatte einen meiner Artikel in der Archaeology gelesen, in dem ich mich kritisch mit der Deutung der Semiotiker über den Gebrauch von Zeichen und Symbolen bei den Wikingern ausgelassen hatte. Als er ging, versuchte ich, den Gesprächsfaden wieder aufzunehmen: »Was ist mit Giovanni Nobile passiert?«
    »Ja, was ist geschehen?«, wiederholte Aldo Lombardi. »Ich pflege gemeinhin zu sagen, dass er besessen wurde. Er bekam diese uralte, heidnische Schrift in die Hände – Prophetien des Lichtengels oder Luzifers Evangelium , wie es auch genannt wird – und ist darüber verrückt geworden.« Sein Blick suchte meinen. »Aber was ist geschehen? Was ist wirklich vorgefallen? Ich glaube, das weiß niemand wirklich. Wir stellen uns diese Frage noch immer, ohne dass jemand eine Antwort geben könnte. Wir wissen nur, dass viele Menschen starben und Giovanni und seine Tochter verschwanden.«
    Aldo Lombardi schüttelte den Kopf.
    »Sie sind gestorben? Alle beide?«, fragte ich.
    »Vermutlich taten sie ihren letzten Atemzug in Ketten gefesselt irgendwo am Grunde des tyrrhenischen Meeres oder in einem Betonsockel einer der vielen Autobahnbrücken, die in der damaligen Zeit gebaut wurden. Eine Tragödie, nichts weiter. Und das Seltsame …«, er zögerte,

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