Das mach' ich doch mit links: Roman (German Edition)
zwölf«, forderte Florian. »Wer ist denn heute der Glückliche?«
»Du kennst ihn nicht. Er heißt Uwe.«
»Ist das etwa dieser abgedrehte Macker aus der Dreizehnten?«
Rüdiger nahm die Beine vom Couchtisch und stand langsam auf. »Wie kann man bloß mit der größten Flasche der westlichen Hemisphäre herumziehen? Florian, das musst du verbieten!«
»Von wegen Flasche!«, fauchte seine Schwester. »Der hat in seinem kleinen Finger mehr Grips als du in deinem ganzen aufgeblasenen Holzkopf!«
»Ja, ich weiß. Verstand ist sein größter Reichtum, aber Armut schändet ja nicht.« In voller Länge baute er sich vor Florian auf und verlangte nachdrücklich: »Lass sie nicht aus dem Haus! Dieser Scheich hat ein supergeiles Gerät, bloß fahren kann er nicht. Zwei Mal haben ihn die Bullen schon gekrallt wegen überhöhter Geschwindigkeit. Der gurkt wie eine gesengte Sau durch die Straßen.«
»Jetzt nicht mehr«, sagte Melanie. »Wenn er noch mal erwischt wird, ist er nämlich den Führerschein los.« Sie drückte Tinchen einen Kuss auf die Wange. »Tschüss, ich gehe jetzt.«
»Pass auf, wenn er fährt!«
»Pass lieber auf, wenn er parkt!«, empfahl Florian. Er schickte seiner Nichte einen augenzwinkernden Blick hinterher. Zu ihr hatte er Vertrauen und wusste, sie würde es nicht missbrauchen. Erst kürzlich hatte sie ihm versichert: »Von ethischen Begründungen halte ich nicht viel, aber für mich ist das beste orale Verhütungsmittel immer noch ›nein‹!« Dabei war sie fast siebzehn und damit in einem Alter, wo mehr als die Hälfte der jungen Mädchen die Bezeichnung Jungfrau bestenfalls als Sternzeichen für sich in Anspruch nehmen konnten. Beruhigt zündete er sich eine Zigarette an und griff wieder zu seiner Zeitung.
»Das ist jetzt schon die vierte innerhalb einer Stunde«, sagte Tinchen vorwurfsvoll.
»Stricken ist für Melanie dasselbe wie Rauchen für mich. Es entspannt.«
»Meinst du? Wenn sie aber mal eine Masche fallen lässt, gibst es nicht gleich ein Loch im Teppich.«
Aus Rüdigers Ecke kam ein herzhaftes Gähnen. »Mann, ist das vielleicht ein ätzender Abend. Ein Glück, dass die Schule bald wieder anfängt. Da ist wenigstens vormittags Action. Ich sehe mir jetzt den Krimi im Zweiten an. Kommst du mit, Clemens?«
»Kaugummi für die Augen? Nee, danke. Ich geh’ poofen. Hab’ Andrea versprochen, sie morgen früh zu ihrer neurotischen Tante nach Sindelfingen zu fahren. Die liegt mal wieder im Sterben. Gute Nacht allerseits.«
Auch Urban räumte sein Werkzeug zusammen. Er wollte in die Spätvorstellung vom Roxy und hinterher vielleicht noch in die Disco.
»Komm mal her, Tinchen, damit ich dir meine geniale Konstruktion erklären kann. Wenn Marthchen kommt, bin ich doch nicht da, also musst du ihr dieses Provisorium verklickern.« Er schaltete den Apparat ein. »Das ist der Schalter von unserem alten Herd, was anderes habe ich nicht gefunden. Unterhitze ist das erste Programm, Oberhitze das zweite und Grillen das dritte. Probier mal!«
Tinchen probierte und war beeindruckt. »Das funktioniert ja!«
»Was hast du denn gedacht?«
Florian war hinausgegangen und kehrte mit seinem Weckerradio zurück.
»Das Ding streikt auch, und wo du doch gerade dabei bist …«
»Ich sehe es mir morgen man an, ja? Für Radios bin ich Spezialist.« Er nahm Florian das Gerät aus der Hand und stellte es auf den Tisch. »Halb drei. Elektrische Uhren haben selbst dann noch ihr Gutes, wenn sie nicht mehr gehen. Man sieht wenigstens, wann sie stehen geblieben sind.«
»Möchtest du noch eine Tasse Tee?«, fragte Tinchen, nachdem Urban unter Hinterlassung seiner gesamten Utensilien das Feld geräumt hatte.
Keine Antwort. Florian las Zeitung.
»Ob du noch Tee willst, habe ich gefragt.«
»Nein.«
»Dann eben nicht.« Sie stand auf, holte ein paar Zeitschriften vom Couchtisch, blätterte in der ersten herum, klappte sie wieder zusammen. »Da steht auch nichts Vernünftiges drin. Erst zwanzig Seiten Kochrezepte und danach zwanzig Seiten Abmagerungstipps.« Sie griff nach der nächsten. Plötzlich wurde sie aufmerksam. »Hör mal zu! Hier steht, dass in manchen Gegenden Indiens die Männer ihre Frauen erst nach der Hochzeit kennen lernen. Glaubst du das?«
»Wie kommen die denn gerade auf Indien?«
»Florian, du bist gemein!« Sie ging zu ihm hinüber, nahm ihm die Zeitung aus der Hand und kuschelte sich in seinen Sessel. »Kommt dir eigentlich nicht in den Sinn, dass das Leben außer dem, was in der
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