Das mach' ich doch mit links: Roman (German Edition)
Die so genannte Arbeitsteilung, von Martha schon vor einigen Tagen konzipiert und in unbeholfener Sütterlinschrift auf einem liniierten Blatt festgehalten, billigte Tinchen als eigenes Ressort lediglich die Betreuung ihrer beiden Kinder zu sowie den täglichen Einkauf, was in erster Linie darauf zurückzuführen war, dass sie einen Führerschein hatte und Martha nicht. Zwar gab es in Steinhausen zwei große Supermärkte, deren Geschäftsführer sich um die Ehre rissen, telefonische Bestellungen der Familie Bender anzunehmen und wenig später frei Haus zu liefern, denn der jeweilige Umsatz pflegte sich in der monatlichen Bilanz äußerst positiv auszuwirken, aber die zugestellten Waren bewegten sich immer in der oberen Preisklasse, berücksichtigten niemals Sonderangebote und widersprachen somit Marthas Hang zur Sparsamkeit. Den Auftrag, der jungen Frau Bender nun endlich das Kochen beizubringen, hatte sie wenigstens einkalkuliert und dafür jeweils vormittags und am frühen Abend eine Stunde Küchendienst angesetzt, was Tinchen als viel zu wenig, Martha jedoch als gerade noch zumutbar empfand. Sie war am liebsten allein in ihrer Küche und duldete nur in Ausnahmefällen zusätzliche Hilfe. Von Tinchen erwartete sie keine, und hätte nicht Florian sie so dringend darum gebeten, würde sie sich auf dieses Experiment bestimmt nicht eingelassen haben.
»Entweder man hat’s oder man hat’s nicht«, murmelte sie.
»Was hat man?«
»Talent zum Kochen. Ich glaube, Sie haben es nicht«, sagte Martha kategorisch, während sie die Kaffeetassen in die Spülmaschine räumte.
Inzwischen hatte Tinchen den Arbeitsplan studiert und schüttelte jetzt nachdrücklich den Kopf. »So geht das nicht, Marthchen. Ich bin nicht hergekommen, um Blumentöpfe zu begießen und Rosen für den Mittagstisch zu schneiden, so ungefähr die einzigen Arbeiten, die Sie noch übrig gelassen haben. Ein bisschen mehr können Sie mir ruhig zutrauen. Wann stehen Sie morgens eigentlich auf?«
»So um halb sechs herum.«
»Weshalb denn? Die Kinder kommen doch erst um sieben herunter.«
»Na ja, das Rheuma, wissen Sie …«, druckste sie, »da geht es mit dem Anziehen nicht mehr so schnell wie früher, und bis ich dann richtig in Gang gekommen bin, vergeht doch eine Stunde. Und dann mache ich ja auch gleich die erste Waschmaschine fertig, meistens werden es zwei pro Tag, da brauche ich die Zeit schon.«
Tinchen rief sich die Rheumatherapie ihrer Großmutter ins Gedächtnis, verwarf sie aber wieder, weil Kaninchenfelle auf Grund rückläufiger Stallhasenzucht schwer zu bekommen waren, assoziierte Wärme mit Federbett und erklärte rundheraus: »Ab morgen stehen Sie frühestens um sieben auf! Den Frühstücksservice übernehme ich, die Waschmaschine ebenfalls, alles andere wird sich finden.«
Marthas ohnehin nur lauwarmer Protest ging in dem Krach unter, mit dem Tinchen ihren Stuhl zurückschob und gegen die an der Wand aufgereihten Colaflaschen stieß. »Müssen die da stehen?«
»Nein, sie gehören in den Keller.«
»Da ich annehme, dass dieses Mottenpulvergetränk vorwiegend von den Junioren konsumiert wird, sollte man ihnen beibringen, die Flaschen selber wegzuräumen.«
»Ich mach’ das schon.«
»Das werden Sie schön bleiben lassen!« Suchend sah sich Tinchen um, erinnerte sich der leeren Körbe auf dem Balkon, holte einen, stellte die Flaschen hinein und ging damit zur Tür.
»Das ist die falsche.« Martha zeigte auf die andere. »Die da geht in den Keller.«
»Da will ich ja gar nicht hin. Ich werde jetzt die Flaschen gleichmäßig in den Zimmern oben verteilen. Mal sehen, was dann passiert.«
»Gar nichts.« Über so viel Unkenntnis der Mentalität Halbwüchsiger konnte Martha nur den Kopf schütteln. »Sie werden da oben verstauben.«
»O nein, das werden sie garantiert nicht!« Mit ihrem Korb zog Tinchen treppaufwärts. Die erste Schlacht hatte sie siegreich beendet, die zweite stand unmittelbar bevor und würde eine andere Strategie erfordern. Das wurde ihr sofort klar, als sie sich der resoluten Person gegenübersah, die sich mit kampflustiger Miene neben der Haustür aufgebaut hatte.
»Sie sind sicher Frau Bender!« Unverhohlen musterte sie Tinchen von den verwaschenen hellblauen Hosen über den auch nicht mehr ganz neuen Pullover bis zu den zerzausten Haaren. Die Prüfung schien nicht unbedingt positiv ausgefallen zu sein, denn Frau Hahneblank rümpfte leicht die Nase, bevor sie geruhte, Tinchen ihre Fingerspitzen zu reichen.
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