Das mach' ich doch mit links: Roman (German Edition)
Schule und Julia zum Kindergarten bringen wollte. Nein, das habe er nicht, gurgelte er aus dem Bad zurück, aber am ersten Tag käme es wohl nicht auf die Minute an, und außerdem könne er seine Socken nicht finden.
»Dann geh eben ohne, draußen sind fünfzehn Grad.«
»Ich soll doch einen respektablen Eindruck machen«, widersprach Florian, »ohne Strümpfe geht das nicht.«
»Glaubst du, mit?«, kicherte sie, bequemte sich aber doch, nacheinander alle Schubladen zu öffnen, dann die Schranktüren, die noch nicht ganz ausgepackten Koffer, und als sie schließlich anfing, im Bad zwischen den Handtüchern zu wühlen, tönte es aus dem Kinderzimmer: »Mami, kann man eigentlich zurückwachsen?«
»Wie meinst du das, Tobias?«
»Über Nacht sind alle meine Strümpfe zu groß geworden.«
Ein Blick auf die Uhr sagte Tinchen, dass ihr Mann seine Theorien über kurze und klare Anweisungen in Bezug auf trödelnde Kinder nun mal selbst in die Praxis umsetzen konnte. Sie hatte jetzt Wichtigeres zu tun. Dazu gehörte zunächst einmal das Einkaufen – zu Hause eine relativ einfache Sache, bei der nun zwei Aspekte zu berücksichtigen waren: 1. Erlauben das meine bescheidenen Kochkenntnisse? 2. Erlaubt das mein bescheidenes Haushaltsgeld? Da die Antwort in beiden Fällen meistens ein klares Nein war, hatte Tinchen für ihre Runden durch den Supermarkt nie viel Zeit gebraucht. Jetzt war das natürlich etwas anderes. Sie würde zusammen mit Martha den wöchentlichen Speisezettel festlegen, kurzfristige Änderungen auf Grund von Sonderangeboten natürlich vorbehalten, ganz gezielt einkaufen und nicht so unbedingt auf den Preis sehen müssen.
Um die Wohnzimmertür, hinter der Frau Schliers mit wesentlich mehr Aufwand als üblich saugbürstete, machte Tinchen einen Bogen. Sollte sich Frau Hahneblank doch erst mal austoben, vielleicht würden ihre Energien hinterher etwas verbraucht und sie selbst einem vernünftigen Gespräch zugänglicher sein.
In der Küche fand Tinchen den Einkaufszettel. Geld und einen gedeckten Frühstückstisch für vier Personen. Wieso vier? Sollte etwa Frau Schliers auch …? Üblich war es ja wohl, dass man Putzfrauen beköstigte. Mutti billigte ihrer Zugehfrau immer ein ausgedehntes Frühstück zu, setzte sich selbst mit an den Tisch und hechelte gemeinsam mit Frau Simon sämtliche Neuigkeiten der vergangenen Woche durch, weshalb sich die Arbeitszeit automatisch verlängerte und der Tagesverdienst von Frau Simon erfreulich erhöhte, aber Tinchen konnte sich nicht vorstellen, dass Frau Schliers mit Florian den Steinhausener Klatsch debattieren würde. Zu wem in drei Teufels Namen gehörte also die vierte Kaffeetasse?
Sie griff nach der Einkaufsliste, suchte die Autoschlüssel, die sie gestern irgendwo hingelegt hatte, fand sie erstaunlicherweise am Schlüsselbrett und lief durch den Kellergang zur daneben liegenden Garage. Stolz betrachtete sie das Auto, das jetzt ganz allein ihr gehörte. Es war zwar nur ein Japsenpassat, wie Rüdiger den Cherry herablassend zu nennen pflegte, aber er war klein und wendig und würde ihr hoffentlich das Einparken erleichtern. Damit hatte sie immer noch Schwierigkeiten, obwohl Florian das schon hundert Mal mit ihr geübt hatte. In einem Anfall von Verzweiflung hatte er sogar einmal zwei alte Stühle auf die Straße gestellt und Tinchen üben lassen, doch das hatte nichts genützt. Die Stühle waren dauernd umgefallen.
Gestern hatte sie schon eine Probefahrt durch Steinhausen unternommen, die beiden Supermärkte wenigstens von außen betrachtet, sich den Weg zum Metzger und zum Bäcker eingeprägt und ganz zufällig sogar den Kindergarten gefunden, den Julia besuchen sollte. Künftig würde sie ihre Tochter selbst dort abliefern, vorher natürlich Tobias zur Schule bringen – alles gar kein Problem, der ganze Rhythmus musste sich nur erst einspielen.
Das Einkaufen machte Spaß. Der Geschäftsführer, durch den Stadtklatsch ohnehin informiert und von einer aufmerksamen Kassiererin vorgewarnt, eilte beflissen herbei, um seine neue Kundin zu begrüßen. Ob er der gnädigen Frau behilflich sein könne? Der Sauerbraten sei sehr zu empfehlen, äußerst günstig heute, aber selbstverständlich stehe Herr Weisbrod von der Fleischabteilung auch für individuelle Wünsche zur Verfügung. Vielleicht ein paar Bratwürste? Hausgemacht natürlich, nach Nürnberger Art.
Also kaufte Tinchen Bratwürste, obwohl die nicht auf der Liste standen, und ein Pfund Aufschnitt, weil
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