Das mach' ich doch mit links: Roman (German Edition)
»Ich bin Frau Schliers, die Haushälterin.«
»Das dachte ich mir«, sagte Tinchen herzlich. »Sie sehen so tüchtig aus.«
Schon immer war sie der Ansicht gewesen, dass Frauen in Kittelschürzen und Schnürschuhen automatisch einen Duft nach Fensterleder und Scheuersand um sich verbreiteten, aber diese hier musste ein Prachtexemplar ihrer Zunft sein. Von den tiefschwarz gefärbten Haaren hatte sich nur eine kleine Strähne unter dem Kopftuch gelöst, die ebenfalls gefärbten Augenbrauen bildeten zwei parallele Striche zu dem verkniffenen Mund, dafür war die Nase wieder viel zu groß geraten und verlieh dem Gesicht etwas Adlerartiges. Aus der linken Tasche ihrer Schürze hing ein Staubtuch, in der rechten steckte eine Sprühflasche mit Möbelpolitur, in der einen Hand hielt Frau Schliers einen Mopp, in der anderen eine Bürste mit Zuleitungskabel. »Montags mache ich immer das Wohnzimmer gründlich.«
»Auf keinen Fall möchte ich Ihre Dispositionen durcheinander bringen«, sagte Tinchen, »aber es wäre mir lieb, wenn Sie heute ausnahmsweise oben anfangen würden. Der Umzug und vor allem der Logierbesuch haben doch eine ganze Menge Spuren hinterlassen.«
»Logierbesuch?«, echote Frau Schliers. »Damit hätten Sie doch wirklich noch warten können.«
»Da haben Sie völlig Recht«, gab Tinchen bereitwillig zu. »Bei etwas besserem Wetter wären wir auch gern zu Fuß von Düsseldorf nach hier gelaufen, aber dann haben wir es doch vorgezogen, uns von meinen Eltern herfahren zu lassen.«
Frau Schliers brummte Unverständliches, fand aber sofort einen neuen Angriffspunkt. »Haben Ihre Kinder keine Hausschuhe?«
»Natürlich haben sie Hausschuhe.«
»Und warum stehen die nicht neben dem Eingang wie die anderen auch?«
»Weil ich sie in den Schuhschrank gestellt habe, wo sie nach meiner Ansicht hingehören.«
»Die Frau Professor möchte aber, dass die hellen Fliesen nicht mit Straßenschuhen betreten werden.«
»Da die Frau Professor vorläufig nicht anwesend ist, kann es sie auch nicht stören, wenn wir es trotzdem tun.« Langsam wurde Tinchen wütend. »Im Übrigen muss ich Sie darauf hinweisen, dass der Hund überhaupt keine Hausschuhe besitzt.«
»Welcher Hund?«, fragte Frau Schliers erschrocken.
»Unser Hund.«
»Aber davon hat mir die Frau Professor gar nichts gesagt.«
»Hätte sie das tun müssen?«
Die Gute schnappte hörbar nach Luft. »Wie groß ist denn der Hund?«
»Och, er geht noch bequem unter den Türrahmen durch«, versicherte Tinchen ernsthaft, nahm ihren Korb wieder auf und lief die Treppe zum Obergeschoss hinauf.
Zurück blieb eine versteinerte Frau Schliers, deren Vorstellung von Akademikern in Allgemeinen und der von ihr so hoch geschätzten Familie des Professors Bender im Besonderen erheblich ins Wanken geraten war. Da hatte sich die Frau Professor ja was Schönes ins Haus geholt! Die kleinen Kinder hätte man noch klaglos hingenommen, zumal sich an ihrer Existenz nichts mehr ändern ließ, aber einen Hund …! Womöglich einen, der den ganzen Tag bellte und auf die Polstermöbel sprang. Wie gut, dass die Frau Professor ihre Adresse hinterlassen hatte. »Nur für alle Fälle«, hatte sie gesagt und die Anschrift extra mit der Maschine getippt. »Es kann sich doch mal etwas ereignen, das ich wissen müsste und von meinem Schwager bestimmt nicht erfahre.«
Frau Schliers ahnte, dass der erste Brief nach Amerika bald fällig sein würde. Gestärkt durch das Bewusstsein, das in sie gesetzte Vertrauen in jede Weise erfüllen zu können, machte sie sich an die Arbeit. Natürlich nicht oben. Heute war Montag, also kam das Wohnzimmer an die Reihe, das war schon immer so gewesen, und von der jungen Frau ließ sie sich gar nichts sagen. Übrigens war die ja gar nicht mehr so jung. Mindestens Mitte dreißig, ein paar graue Haare hatte sie schon, aber sehr auf jugendlich zurechtgemacht und mit der Frau Professor überhaupt nicht zu vergleichen. Man sollte nicht glauben, dass die beiden Frauen verwandt waren.
Tinchen hatte inzwischen ihre Flaschen verteilt, vier in jedem Zimmer, Florian aus dem Bett, Tobias ins Bad und Julia vom Balkon gescheucht, ihre Lieben abwechselnd ermahnt, sich den Hals zu waschen, den Pullover nicht linksherum anzuziehen, die Zigarettenasche nicht im Cremetopf abzustreifen, den Hund endlich aus dem Wäschekorb zu holen und beim Verlassen der Zimmer die Fenster zu öffnen. Frühstück gebe es in der Küche, und ob Florian vergessen habe, dass er Tobias in die
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