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Das Maedchen am Klavier

Das Maedchen am Klavier

Titel: Das Maedchen am Klavier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosemarie Marschner
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geriet dabei nicht einmal außer Atem. Es dauerte nicht lange, und sie verfielen fast gleichzeitig vom Gehen in den Laufschritt. Sie lachten vor Vergnügen, während ihnen die Spaziergänger kopfschüttelnd nachstarrten. Nebeneinander trabten sie dahin und waren sogar noch in der Lage, ein Gespräch zu führen: nicht über Doppelgänger oder Jean Pauls »Unsichtbare Loge« , sondern über das Alltagsleben, das sie ja auch auf der Tournee noch führten, über die Menschen, die ihnen aufgefallen waren, und allerlei amüsante Begebenheiten, die sie erst wirklich genossen, weil sie miteinander darüber sprechen konnten.
    Friedrich Wieck beobachtete die zunehmende Vertraulichkeit zwischen den beiden jungen Menschen. Kinder!, dachte er und machte sich keine Sorgen. Carl Banck schien ihm nicht wichtig genug, um für Clara eine Gefahr darzustellen. Hauptsache, sie wurde von den Gedanken an Robert Schumann abgelenkt, der für Friedrich Wieck fast zur fixen Idee geworden war.
    Einmal, auf einer der endlosen Fahrten in der Postkutsche, fragte er sich selbst, warum er sich eigentlich so sehr vor Robert Schumann fürchtete. Als Erstes fiel ihm dabei der Leumund seines ehemaligen Schülers ein, der wahrhaft nicht dem entsprach, was sich ein Vater für seine unschuldige Tochter wünschte: Mit allzu vielen Frauen brachte man den jungen Mann in Verbindung, Frauen aus allen Gesellschaftskreisen, von einer vornehmen Dame wie Henriette Voigt bis hin (»hinunter« dachte Friedrich Wieck eigentlich) zu jener Christel, über die Friedrich Wieck am meisten besorgt war. Zu beängstigend waren die Gerüchte über deren geheimnisvolle Krankheit, die manchem von Friedrich Wiecks Gesprächspartnern gar nicht so geheimnisvoll erschien. Friedrich Wieck wollte nicht einmal darüber nachdenken, wie weit auch Robert Schumann davon betroffen gewesen war.
    Dazu kamen noch die vielen jungen Freunde, die Robert Schumannum sich scharte. Die Sonnenjünglinge, über die man in Leipzig hinter vorgehaltener Hand flüsterte. Vielleicht, dachte Friedrich Wieck, handelte es sich dabei nur um Gerüchte und böswillige Erfindungen. Trotzdem ... Dazu dann noch das bayrische Bier und der Champagner! Die Knillität ...
    Friedrich Wieck selbst war mäßig beim Essen und Trinken. Schon seine Mutter hatte kein Verständnis für die Sünde der Völlerei gehabt. In diesem Denken war er aufgewachsen, und er fühlte sich wohl dabei. Es hatte ihn abgestoßen, als er einmal Robert Schumann nachts im Hause begegnete und dieser eben vom »Kaffeebaum« zurückkehrte, das Gesicht gerötet, die Augen glasig und die Lippen auf eine törichte Weise gespitzt, als wolle er gleich zu pfeifen anfangen.
    Robert Schumann. Zu Anfang hatte Friedrich Wieck viel von ihm gehalten: ein großes musikalisches Talent, womöglich sogar ein Genie. Damals wäre es für Friedrich Wieck denkbar gewesen, den jungen Pianisten Robert Schumann nach drei Jahren intensiver Ausbildung als Impresario zu begleiten. Für einen Komponisten Schumann hatte Friedrich Wieck jedoch keine Verwendung, noch dazu, da der Kompositionsstil des aufsteigenden Genies in keiner Weise seinem eigenen Geschmack entsprach. »Trop sérieux«, sagte man in Leipzig, »zu ernsthaft«, und das war vernichtend.
    Unter diesen Bedingungen fragte es sich, ob Robert Schumann jemals in der Lage sein würde, sich selbst zu ernähren. Sein Glück war, dass er von seinem Vater jenes »Capital« geerbt hatte, dessen Zinsen ihn nun über Wasser hielten. Friedrich Wieck war jedoch überzeugt, dass Robert Schumann früher oder später auch auf das Capital selbst zurückgreifen würde, bis es so stark geschrumpft war, dass ihn höchstens noch eine reiche Heirat vor dem Ruin bewahren konnte.
    Dass Clara in eine solche Lebensplanung einbezogen wurde, würde Friedrich Wieck zu verhindern wissen, das schwor er sich. Schwor es sich mehr als alles andere. Wenn Clara jemals heiratete – was durchaus nicht sein musste –, dann einen Mann,der ihr den Lebensstandard bieten konnte, den sie gewohnt war und der ihr erlaubte, ein Leben lang als Künstlerin tätig zu sein. Dafür hatte ihr Vater sie erzogen. Das brauchte sie, um sie selbst zu sein. Das – und keinen Ehemann, der in ihr den verkleinerten Doppelgänger seiner selbst sah und der stets die Nummer eins sein wollte, wo ihr Vater doch alles getan hatte, sie selbst zur immerwährenden Nummer eins zu erziehen.
    Eine lange Tournee. Fünf Monate. Ohne die ständige Ablenkung durch Carl Banck hätte Clara

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