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Das Maedchen am Klavier

Das Maedchen am Klavier

Titel: Das Maedchen am Klavier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosemarie Marschner
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Pathos und den affektierten Tiefsinn der Virtuosen vorgehen oder gegen die zur Ware verkommene Musik der Dutzendtalente und Vielschreiber, deren Werk sich nach der Bezahlung richtet?«
    Danach folgte eine lange Rede gegen die deutsch-italienische Schule mit ihren triolenbegleiteten Melodien. »Ausländische Götzen!«, urteilte Robert Schumann erbost. Nicht einmal seine italienische Bildungsreise nach dem Abitur hatte ihn für die Musik des Südens gewinnen können. Nur selten mochte es einen Studenten gegeben haben, den die Reise in die wärmeren Gefilde so kalt gelassen hatte wie ihn. »Ausländische Götzen!«, wiederholte er, und Carl Banck, der eine heimliche Zuneigung für die italienische Oper hatte, wagte nichts zu entgegnen.
    Mausgraue Kritiken – und irgendwie auch als Person ein wenig mausgrau: So wirkte Carl Banck. Ein Mensch der Mitte: mittelgroß, mittelschlank, mittelhübsch, das mittelblonde Haar nur mehr mitteldicht, obwohl er nur ein Jahr älter war als Robert Schumann. Die Stimme mittellaut und das Talent mittelmäßig. Eigentlich ein angenehmer Zeitgenosse, mit dem sich auskommen ließ. Bei jeder Auseinandersetzung konnte er beide Seiten verstehen und an jedem Menschen entdeckte er auf jeden Fall auch etwas Gutes. Dazu war er tüchtig und einsatzbereit. Dass er selten einen Grund fand zu widersprechen, machte ihn zum idealen Umgang für einen dominierenden Mann wie Friedrich Wieck.
    Schon bei den Treffen der Davidsbündler war Friedrich Wieck auf Carl Banck aufmerksam geworden. Als sich dann noch herausstellte, dass Carl Bancks Familie in Magdeburg lebte und mit einem beträchtlichen Vermögen ausgestattet war, bezog Friedrich Wieck den jungen Mann immer häufiger in seine eigenen Geschäfte ein. Er veranlasste, dass Bancks Familie in Magdeburg Vorarbeit für Claras Konzerte leistete, und bot ihm schließlich an, ihn und Clara auf der gesamten Tournee zu begleiten. Er sei doch ein fähiger Mensch mit einem fabelhaften Organisationstalent, schmeichelte er ihm. Könnte er sich da nicht vielleicht sogar für das Metier eines Impresarios erwärmen? Er, Friedrich Wieck, habe ein Auge für die Talente der Menschen und er habe von der ersten Begegnung an gewusst, dass Carl Banck für das Musikgeschäft geboren sei.
    Carl Banck hatte längst begriffen, dass seine Begabung für eine Karriere als Komponist nicht ausreichte. Er überlegte bereits, ob er seiner Familie die Zweifel an sich selbst gestehen und womöglich sogar ins väterliche Unternehmen zurückkehren sollte. Friedrich Wiecks Angebot kam ihm deshalb gerade recht. »Ich bin begeistert, Herr Wieck«, gestand er und dachte dabei heimlich auch an die hübsche Clara, mit der zu reisen ebenfalls seinen Reiz haben würde.
    So fuhr er nun fünf Monate lang gemeinsam mit Clara und ihrem Vater von Stadt zu Stadt, machte »Konzertbesorgungen«, verhandelte mit Druckern und Billetteuren, versuchte die Saalmieten herunterzuhandeln und auch die Honorare der mitwirkenden Musiker.
    Friedrich Wieck war überrascht, wie schnell sich der junge Mann in das für ihn noch fremde Metier hineinfand. Friedrich Wieck bedauerte fast, dass er nicht schon früher auf die Idee gekommen war, den unangenehmen Kleinkram, auf den aber nicht verzichtet werden konnte, zu delegieren. Ehrlicherweise musste er sich eingestehen, dass er hauptsächlich die Kosten für einen Angestellten gescheut hatte. Außerdem war Carl Banck eine Ausnahme und ein Glücksfall: begierig, etwas zu lernen, und zugleich von Haus aus vermögend genug, zumindest vorübergehend auf ein Einkommen zu verzichten. Dass er ganz offenkundig in Clara verliebt war, spielte dabei bestimmt auch eine Rolle. Für die zwei Stunden täglich, die ihn Friedrich Wieck mit ihr auf Gesundheitsspaziergang schickte, wäre Carl Banck wahrscheinlich zu jedem Opfer bereit gewesen.
    Auch Clara fand es angenehm, nicht immer nur allein durch fremde Städte und Parks zu eilen und dabei auch noch das Befremden der Passanten zu ertragen, die sich die seltsamen Bewegungen nicht erklären konnten, die die vornehm gekleidete junge Dame ausführte: Atem- und Dehnübungen, die ihr inzwischen in Fleisch und Blut übergegangen waren und die ihr fehlten, wenn sich dafür keine Zeit oder Gelegenheit ergab.
    Im Unterschied zu Robert Schumann, dem die Spaziergängeimmer eine Last gewesen waren, fand Carl Banck schnell selbst daran Gefallen. Er war schlank und drahtig und hielt ohne Mühe mit Clara Schritt. Manchmal überholte er sie sogar und

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