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Das Maedchen am Klavier

Das Maedchen am Klavier

Titel: Das Maedchen am Klavier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosemarie Marschner
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gehen.«
    »Und wo warst du mit sechzehn Jahren?« Achtlos ließ Friedrich Wieck die Zigarre auf dem Schreibtisch liegen. Er sprang auf. »Einerlei: Ich habe mit dem Instrumentenmacher Schmidt in Pressburg korrespondiert. Er ist bereit, Alwin als Lehrling aufzunehmen. Zu Michaeli kann er dort anfangen.«
    Clara zitterte. »Als Lehrling?«, rief sie entsetzt. »Aber er möchte Künstler werden! Dafür müsstest doch gerade du Verständnis haben.«
    Friedrich Wieck blickte sie kalt an, als sähe er hinter ihr ihre Mutter. »Wenn er es wirklich will, wird er sich auch ohne mich durchsetzen«, antwortete er. »Mir hat auch keiner geholfen.«
    »Und Gustav?«, fragte Clara leise.
    Friedrich Wieck nickte zufrieden. »Den habe ich in Wien untergebracht.Beim Klavierbauer Tomaschek, du weißt schon. Nächste Woche reist er ab. Clementine hat ihn ordentlich eingekleidet und ausgestattet. Er kann bei einem Wiener Kaufmann mitfahren. In Österreich wird er lernen, was das heißt: Arbeit und Anstand. Lausbubenstreiche gibt es beim großen Metternich nicht. Wer da nicht spurt, landet im Gefängnis.«
    Clara schwieg. Durch ihre ständigen Reisen hatte sie nie viel mit ihren Brüdern zu tun gehabt. Bei ihrem letzten Besuch war ihr jedoch aufgefallen, dass sie inzwischen hübsche Burschen geworden waren. Dunkle Haare, dunkle Augen – wie ihre Mutter und wie Clara selbst. »Wann wirst du mich fortschicken, Papa?«, fragte sie.
    Einen Augenblick lang schien Friedrich Wiecks Gesichtsausdruck weicher zu werden, milder. Dann aber schüttelte er den Kopf. »Rede keinen Unsinn, Clara!«, wies er sie zurecht.
    Doch Clara wollte nicht aufgeben. »Weißt du, Papa: Früher habe ich Alwin manchmal Klavierunterricht gegeben. Er ist wirklich ein guter Musiker!«
    Friedrich Wieck griff nach der Zigarre und nahm einen Zug. Doch sie war erloschen. Enttäuscht warf er sie auf den Tisch zurück. »Das ist er nicht. Du bist eine gute Musikerin. Du warst es von Anfang an.« Er öffnete die Tür, um Clara hinauszulassen. »Mit einem Wort, wenn wir zurückkommen, sind die beiden Kerle fort. Finde dich damit ab. Du wusstest doch auch selbst nie etwas mit ihnen anzufangen.«
    Clara spürte, wie plötzlich Zorn in ihr aufstieg. »Magst du sie nicht, weil sie Mama so ähnlich sehen?«, rief sie. Doch da hatte er ihr die Türe schon vor der Nase zugeschlagen. Clara wusste nicht einmal, ob er ihre Worte überhaupt gehört hatte.
3
    Der Schwimmer im nächtlichen Meer erreichte sein Ziel. Er befreite sich aus den Wellen und schloss seine Geliebte in die Arme. Nach achtzehn Monaten der Trennung schöpfte der einst so »liebe, liebe Robert« wieder Hoffnung. Die sonnigen Tage eines begnadeten Sommers erhellten sein Gemüt und befreiten ihn von der Niedergeschlagenheit der eineinhalb Jahre. Endlich fühlte er sich wieder frei und ungezwungen. Robena Laidlaw, die ihn ja doch nicht geliebt hatte, war mit ihrer Mutter nach Russland gereist, nicht ohne zu erklären, dass er anfange, ihr lästig zu fallen. Sie meinte wohl, ihn damit am Boden zu zerstören. In Wahrheit aber war er erleichtert, sie los zu sein und seine ganze Schaffenskraft auf den Abschluss seiner fis-Moll-Sonate zu lenken.
    Noch nie zuvor hatte er ein Werk so oft überarbeitet, doch auch noch nie hatte er so lange um eine Frau geworben wie um Clara. »Klaviersonate in fis-Moll, op. 11, Clara zugeeignet von Florestan und Eusebius«, schrieb er auf den Umschlag. Endlich zweifelte er nicht mehr daran, die Widmungsträgerin würde verstehen, dass dieses Werk ein einziger Herzensschrei nach ihrer Liebe war. Wie könnte sie den Worten des Sterbenden an die ferne Geliebte widerstehen: »Denk ich dein, du süßes Leben ...« Sie musste begreifen, dass es für sie nur einen Einzigen gab auf der Welt, denn so wie er würde nie ein anderer sie lieben. Zilia und Eusebius – ein einziges Wesen in zwei Körpern, Mann und Frau, die zusammengehörten, mochten die Widerstände, die sich ihnen entgegenstellten, auch noch so unüberwindbar erscheinen.
    Es hatte ihn ergriffen wie ein Rausch. Noch zwei weitere Sonaten entstanden, obwohl er früher doch gemeint hatte, die Sonatenform gehöre eigentlich einer bereits vergangenen musikalischen Epoche an. Nun aber schien sie ihm die einzige Ausdrucksmöglichkeit für die Gefühle zu sein, die ihn bewegten: Liebe, Hoffnung und nach langem auch wieder Vertrauen in die Zukunft.
    Seine ständig wiederkehrenden Träume vom Tod in den Wellenhörten auf. Jede Nacht schlief er tief und

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