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Das Maedchen am Klavier

Das Maedchen am Klavier

Titel: Das Maedchen am Klavier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosemarie Marschner
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übrigens keinen Pianisten, der dieses Werk hinreißender spielen könnte als Ihre Tochter.«
    Es gab nur wenige Menschen, denen Friedrich Wieck ungern widersprach. Felix Mendelssohn war einer von ihnen. So kam es, dass Clara ihre Sommertage damit verbrachte, drei von Robert Schumanns »Sinfonischen Etüden« einzustudieren.
    Als Robert Schumann davon erfuhr, konnte er sich vor Freude kaum fassen. »Wenn sie es spielt, ist alles gewonnen!«, rief er, wieder allein in seinem Zimmer. »Das Publikum wird gegen die Wände rennen vor Entzücken!« Unwillkürlich blickte er in den Spiegel. Sein eigenes Gesicht schaute ihm entgegen, lachend und voller Vorfreude. Ich bin glücklich!, sagte er sich. Noch sind meine Wünsche nicht erfüllt, aber ich werde mein Ziel erreichen ... Wieder lachte er und sein Spiegelbild lachte zurück. Der Doppelgänger da drinnen hatte nichts Gefährliches mehr an sich. Der Spiegel zeigte nur noch, was ihm entgegenschaute. »Guten Morgen, Eusebius!«, grüßte Robert Schumann und summte die Melodie »Es redet trunken die Ferne, wie von künftigem großem Glück!«.
    Clara liebte Matineen. Kein Kerzenrauch stach in ihre Augen. Dafür strahlte das heitere Vormittagslicht durch die hohen Fenster, die während des Sommers manchmal noch bis kurz vor dem Konzert geöffnet waren. Ausgeschlafen und frisch strömte das Publikum dann herein, viel entspannter als am Abend, wo man oft nur aus gesellschaftlicher Verpflichtung ausging, weil zu diesemoder jenem Anlass eben alle kamen, die dazugehörten oder dies zumindest anstrebten.
    Seit Felix Mendelssohn das Musikleben der Stadt lenkte, wurden öfter als bisher Matineen veranstaltet, weil er immer wieder Sonderkonzerte einschob, in denen er die Anwesenheit eines Künstlers nutzte, der vielleicht nur auf der Durchreise war, dem Charme des jungen Musikdirektors aber nicht widerstehen konnte. Leipzig gewann als Kulturstadt immer mehr an Bedeutung. Man konnte sich kaum noch vorstellen, wie das Leben ohne Felix Mendelssohn gewesen war, der als Erster hier mit Taktstock dirigierte.
    »Anfang 11 Uhr, Ende gegen 1 Uhr«, stand auf dem »Programm der musikalischen Morgenunterhaltung« am Sonntag, dem 13. August 1837.
    Seit sich Clara auf das Konzert vorbereitete, versuchte sie, nicht daran zu denken, was dieser Vormittag für sie bedeuten konnte. Ganz sicher würde sie Robert Schumann wiedersehen und wahrscheinlich sogar mit ihm gemeinsam den Beifall des Publikums entgegennehmen. Dabei hatte sie sich noch immer nicht persönlich für die Zueignung seiner fis-Moll-Sonate bedankt. Sie wusste selbst nicht, warum sie, die doch immer so tüchtig und direkt war, ihre Antwort so lange hinauszögerte. Manchmal dachte sie, sie fürchte sich vielleicht insgeheim davor, dass ihre nächste Begegnung mit Robert Schumann ihr bisheriges Leben beenden würde. Ein neues Kapitel begann dann vielleicht, das schwieriger zu bewältigen war als alles, was sich davor ereignet hatte. Solange Robert Schumann auf Abstand blieb, war das Leben einfach und friedlich. Danach würde er womöglich verlangen, dass sie Farbe bekannte und Trennungen vollzog, die nicht nur ihr selbst Schmerz bereiteten.
    Erst einmal aber galt es, die Konvention einzuhalten, die einer Künstlerin befahl, dem Komponisten ihrer Darbietung ein freundliches Billett zu senden, in dem sie erklärte, dass sie sich darauf freue, sein Werk interpretieren zu dürfen und ihn bei diesem Anlass persönlich zu begrüßen ... Eine Nachricht ohneBedeutung. Höflichkeit, nicht mehr. Und doch wusste sie, dass der Adressat jedes Wort auf die Goldwaage legen, Hintersinn in jedem Satz vermuten würde. »Ich kann es nicht erwarten, dich wiederzusehen!«, würde er aus den höflichen Formeln herauslesen. Eigentlich aber, dachte Clara, hatte er recht mit seiner Auslegung, denn je näher der 13. August rückte, umso unruhiger wurde auch sie und es war kein Lampenfieber, das ihr den Schlaf raubte.
4
    Wenn je zwei Menschen ineinander verliebt waren und zum Weinen glücklich, so waren es Clara Wieck und Robert Schumann in jenen wenigen Sommertagen Mitte August 1837. Jeder einzelne Tag zählte und wog schwerer als all die Jahre davor.
    Mit jener heiteren Matinee begann es, zusammengestellt von Felix Mendelssohn persönlich, der sein Publikum oft genug wie ein strenger Lehrer forderte, es heute aber für seine bereitwillige Aufgeschlossenheit belohnen und einfach nur erfreuen wollte.
    Clara fungierte als Konzertgeberin und größte Attraktion, doch

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