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Das Maedchen am Klavier

Das Maedchen am Klavier

Titel: Das Maedchen am Klavier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosemarie Marschner
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und sagst: So schön habe ich es mir nicht gedacht.«
    Noch am selben Abend klopfte er in der Grimmaischen Gasse ans Küchenfenster und steckte Nanni den Brief zu, während oben im Salon Friedrich Wieck seiner Tochter erläuterte, wie er die bevorstehende Tournee nach Wien gestalten wollte. »Dresden, Prag, Wien und dann vielleicht Norddeutschland, danach Paris, Sankt Petersburg und womöglich anschließend gleich London. Man muss das Eisen schmieden, solange es heiß ist. Du befindest dich in der besten Zeit deines Lebens. Das muss genutztwerden.« Er lachte, weil ihm, was sonst eigentlich nie vorkam, ein Witz einfiel. »Wie der Mann auf der Bahre so schön sagte: Ausruhen können wir uns später.«
    Clara hörte ihm zu, wie sie Robert Schumann zuzuhören pflegte. Alles, was die beiden sagten, gefiel ihr und entsprach ihren Träumen. Wie die beiden Welten, in denen sie auf einmal gleichzeitig lebte, zueinanderpassen sollten, darüber dachte sie nicht nach. Irgendwie würde es schon gehen. Auch andere Künstlerinnen waren verheiratet. Die Liebe würde ihr und Robert Schumann helfen, mit allen Widrigkeiten fertig zu werden.
    So trafen sie sich weiterhin jeden Nachmittag und tauschten dabei die Briefe, die sie einander während der Trennungsstunden geschrieben hatten. Alles immer noch heimlich, doch an Claras achtzehntem Geburtstag würde man sich endlich auch vor dem Vater und vor der Welt zueinander bekennen. So planten sie es.
    Der Schwimmer erreichte das nächtliche Ufer und stieg an Land. Am frühen Morgen ihres achtzehnten Geburtstags, am 13. September 1837, überreichte Clara ihrem Vater den Brief, in dem Robert Schumann um ihre Hand anhielt. Nicht Leidenschaft bewege ihn zu diesem Schritt, eröffnete er das Schreiben, sondern allein seine Verehrung für das edle Mädchen selbst.
    Mit ängstlichen Augen beobachtete Clara die Miene ihres Vaters, während er den Brief las. »Papa!«, drängte sie dann. »Was sagst du dazu?«
    Er blickte sie kurz an, dann faltete er den Brief nachlässig wieder zusammen, erhob sich und ging zu seinem Schreibtisch. Dort zog er die unterste Lade auf und warf den Brief mit angeekelter Miene hinein zu Mariannes unzähligen Schreiben, die sich seit dreizehn Jahren dort angesammelt hatten und dalagen wie ein Haufen vergeudeter Liebe.
    Claras Augen füllten sich mit Tränen. »Das kannst du nicht tun, Papa!«, flüsterte sie. »Wir haben alle deine Bedingungen erfüllt. Achtzehn Monate haben wir gewartet. Da musst du ihn wenigstens anhören.«
    Friedrich Wieck setzte sich wieder an den Tisch. Er nahm einen Schluck aus der Kaffeetasse und schreckte zurück, weil er sich verbrüht hatte. Dann biss er in sein morgendliches Schmalzbrot. »Nur zu!«, murmelte er kauend. »Bring ihn her, deinen Romeo. Oder ist er zu feige und schickt nur dich vor?«
    »Er wartet draußen.«
    Friedrich Wieck machte eine einladende Geste. »Her mit ihm!«, sagte er und lehnte sich zurück.
    Clara holte ihren heimlichen Verlobten herein und verließ dann selbst wieder den Raum. Sie versuchte, an der Tür zu lauschen, doch sie hörte nichts außer ein, zwei Mal ein lautes Lachen ihres Vaters, das sie nicht einschätzen konnte.
    Es dauerte lange, bis sich die Tür wieder öffnete. Clara hatte Angst, doch immer noch meinte sie, ein Wunder hätte sich ereignet und ihr Vater riefe sie zu sich und legte ihre Hand in die ihres Verlobten. »Meinen Segen habt ihr«, würde er dann vielleicht sagen und ihnen für ihr gemeinsames Leben alles Glück dieser Welt wünschen.
    Als Erstes sah sie Robert Schumanns Gesicht, blass, auf der Stirn Schweißtropfen. Hinter ihm erblickte sie ihren Vater, der am Tisch saß und seinen Kaffee trank. Die Tür fiel zu. Es war nicht nötig nachzufragen, ob Friedrich Wieck mit der Heirat einverstanden sei. Langsam und erschöpft nahm Clara Robert Schumann in die Arme. Wie hatte sie nur etwas anderes erwarten können als dieses Verhalten ihres Vaters?
    »Wir dürfen nicht verzweifeln«, flüsterte sie. »Wir gehören zusammen. In drei Jahren bin ich volljährig, danach darf ich selbstständig über mein Leben entscheiden. Dann packe ich einfach mein Bündel und komme zu dir.«
    Er barg sein Gesicht an ihrer Schulter. »In drei Jahren?«, murmelte er. »Jetzt solltest du das tun. Jetzt, auf der Stelle.« Energische Worte, doch seine Stimme klang müde und kraftlos. Er war in eine Schlacht gezogen und besiegt worden. »Diese Kälte!«, klagte er. »Dieser böse Wille, diese Verwirrtheit, diese

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