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Das Maedchen am Klavier

Das Maedchen am Klavier

Titel: Das Maedchen am Klavier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosemarie Marschner
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Werke. Immer wagemutiger sei sie geworden, berichtete sie. Erst habe sie vor allem die üblichen Bravourstücke gespielt und Chopin, den die Wiener liebten. Danach aber bald ihr eigenes Klavierkonzert und eine Fuge von Bach, was für Wien eine Sensation gewesen sei. Immer wieder habe man sie ermuntert, ihre eigenen »Variationen« zu spielen und anschließend sogar Beethovens »Appassionata«. »Seither darf ich mir alles erlauben«, jubelte sie. »Liszt war ohnedies kein Problem, aber jetzt habe ich erreicht, dass sie sogar Mendelssohn schätzen. Vorher kannten ihn die meisten nicht einmal.«
    Ob sie denn auch einmal eines seiner Werke gespielt habe?,fragte Robert Schumann in seinem Antwortbrief vorsichtig und scheinbar nebenbei. Aber ja, antwortete sie ihm. Mehrmals sogar. Vor allem den »Carnaval«. Allerdings immer nur im privaten Kreis. Das Werk gehe ihr aber für eine öffentliche Präsentation zu nahe. Sie finde es enthüllend und habe Angst, man könne ihr dabei in die Seele blicken. »So viel Leidenschaft, mein lieber Robert!«, schrieb sie. »Ich will nicht, dass man uns durchschaut.«
    Da schwieg er beschämt und wechselte im nächsten Brief das Thema. Ernestine von Fricken, seine einstige Verlobte, habe ihn besucht und sich für immer von ihm verabschiedet. Sie habe heiße Tränen vergossen um der alten Liebe willen und auch ihm selbst sei dieser Abschied sehr nahegegangen. Doch nun sei alles für immer vorbei: Ernestine habe einen neuen Mann gefunden, mit dem sie ihr Leben verbringen wolle. Einen Grafen von Zedtwitz, im Alter gut zu ihr passend, worauf sie Wert lege, temperamentvoll, wie sie nun einmal sei. Auch Vermögen sei ausreichend vorhanden. Nur die Billigung seiner Familie stehe noch aus. Zwar habe man die Eheschließung erlaubt, doch behandle man Ernestine noch immer mit großer Kälte. Nur ihr künftiger Gatte halte zu ihr. Sie sei über diese Situation sehr bekümmert und leide deshalb wieder unter Schmerzen in der Brust.
    Clara war über diese Zeilen sehr verärgert. Was hatte eine Frau wie Ernestine von Fricken im zärtlichen Briefwechsel zwischen Hero und Leander zu tun, die um ihre Liebe kämpften? Schon früher hatte sich Clara von Ernestine in die Ecke gedrängt gefühlt. Wie kam diese Frau dazu, sich dem einstigen Verlobten weinend in die Arme zu werfen? Schmerzen in der Brust? Clara konnte sich nur daran erinnern, dass Ernestine zuweilen über Magenbeschwerden geklagt hatte, was ihr aber jetzt wohl nicht mehr edel genug erschien.
    »Hier in Wien ist es wunderbar«, antwortete Clara im nächsten Brief trotzig und berichtete von ihren vielen »Courmachern«, über die sich ihr Vater köstlich amüsiere.
    Von da an veränderte sich der Ton ihrer Korrespondenz,als wollten sie sich gegenseitig demonstrieren, dass ihr eigenes Leben auch ohne den anderen erfüllt und erfolgreich war, ja dass sie einander vielleicht gar nicht brauchten. Immer öfter musste Clara an die Briefe denken, die ihr Robert Schumann geschickt hatte, als er sie noch für ein kleines Mädchen hielt, das er beeindrucken wollte: klangvoll in der Sprache, doch irgendwie künstlich und fremd. Briefe zum Herzeigen und zur späteren Veröffentlichung. Nicht der »liebe, liebe Robert« war da zu hören, der sein »Clärchen« mit Worten streichelte, sondern Eusebius, der wortreich der schönen Zilia seine Verehrung zu Füßen legte. Briefe an die ferne, unerreichbare Geliebte, die ihn zu seinem Schaffen inspirierte. »Ich habe achtzig Druckbögen eigener Gedanken an meine Zeitschrift geliefert und habe nebenbei innerhalb von zwei Jahren zehn große Kompositionen fertig gebracht«, rühmte er sich selbst. »Dabei täglich mehrere Stunden strenge Studien in Bach und Beethoven und eine große Korrespondenz.«
    Als Clara diesen Brief weglegte, fühlte sie sich müde wie schon lange nicht mehr. Zum ersten Mal wurde ihr bewusst, dass nicht nur Robert Schumann den Kontakt mit ihr brauchte, sondern dass auch sie auf jedes seiner Schreiben wartete, und hoffte, in seinen Worten etwas zu finden, das ihr Frieden brachte und Geborgenheit.
3
    Einer der ersten, die in Wien bei Friedrich Wieck und Clara vorsprachen, war ein Nachbar, Fürst Alfred von Schönburg, ein Mann von etwa fünfzig Jahren und genau das, was sich Friedrich Wieck unter einem großen Herrn vorstellte. »Ein Mann von Welt!«, schwärmte er, als der Gast das Haus wieder verlassen hatte. »Ein wahrer Kavalier. Ein Grandseigneur und Gentleman. Ein Aristokrat vom Scheitel bis

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