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Das Maedchen am Klavier

Das Maedchen am Klavier

Titel: Das Maedchen am Klavier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosemarie Marschner
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ihr mit Tabakgestank zu ihnen kämt.«
    »Aber wo raucht man dann?« Friedrich Wieck verstand die Welt nicht mehr und vor allem nicht dieses Frankreich.
    Eduard Fechner würdigte ihn keiner Antwort. Er inspizierte den Kleiderschrank und stellte fest, dass Claras zwei Konzertroben nicht mehr der Mode entsprachen. Auch wenn sie noch ein Kind sei und außerdem wunderbar schlank, könne sie doch nicht einfach ohne Korsett auftreten. Nur mit Korsett komme die verlangte Wespentaille zur Geltung. Auch gewaltige Puffärmel seien in dieser Saison unumgänglich. Außerdem – Eduard Fechner kam hinter vorgehaltener Hand auf das peinliche Korsettproblem zurück – außerdem habe das Korsett die Aufgabe, die weibliche Brust in die Höhe zu drücken. Das werde allgemein als sehr anziehend empfunden und sei deshalb bei einer Künstlerin vor Publikum unbedingt erforderlich.
    »Aber sie hat doch noch gar keine weibliche Brust!«, wandte Friedrich Wieck ein.
    Doch sein Schwager beharrte auf seiner Forderung. Er habe sich bei vielen seiner Kunden für Clara eingesetzt und mit seinem guten Namen für sie gebürgt. Niemand in Paris habe je von einem Wunderkind namens Clara Wieck gehört. Ohne Protektion habe sie nicht den Schatten einer Chance. Er verlange keine Entschädigung für die vielen Stunden, die er seiner Arbeit ferngeblieben sei, um für Clara zu werben. Er habe aber nun wenigstens das Recht zu verlangen, dass sie ihm Ehre mache.
    Friedrich Wieck resignierte. Also doch ein Korsett. Also doch neue Schuhe für ihn, denn mit seinen alten würde man ihm in Paris höchstens ein Almosen zustecken. Also doch ein blauer Frack, wie man ihn heutzutage in Paris trug: mit eng anliegendenschwarzen Hosen, die ihm ein wenig peinlich waren, einem edlen Samtkragen und kleinen gelben Knöpfen. Der Schneider, den Eduard Fechner beauftragte, lieferte innerhalb von zwei Tagen und bestand dann noch auf einem weißen Halstuch und gelben Handschuhen. »Ich sehe aus wie ein Stutzer!«, murrte Friedrich Wieck, als er sich vor dem Spiegel drehte. Trotzdem errötete er erfreut, als er mit Hilfe des Schneiderspiegels seine schmale Rückansicht erblickte und dabei insgeheim feststellte, dass seine Schlankheit doch auch etwas Aristokratisches hatte.
    Eduard Fechner hatte ganze Arbeit geleistet. Es gab keinen Abend, an dem Clara nicht zu irgendeiner Soiree eingeladen war, auf der man sie unweigerlich als Pianistin einplante. Sie gewöhnte sich schnell an das lange Aufbleiben und an die veränderte Tageseinteilung, die sich daraus ergab. Die vielen neuen, oft genug sehr seltsamen Menschen, denen sie nun begegnete, amüsierten sie. Zu Anfang trat sie noch in der von ihrem Vater eingeübten, fast puppenhaften Weise auf, eine kleine Olympia, die sich bewegte, als würde sie von einem Räderwerk angetrieben. Bald aber entspannte sie sich, lächelte und knickste anmutig und ließ sich anmerken, dass ihr der entzückte Beifall, mit dem man sie überschüttete, Freude machte.
    Das größte Hindernis für einen charmanten Umgang mit dem Publikum, das ihr in den engen Salons auch körperlich nahe kam, waren ihre mangelnden Sprachkenntnisse. Auch ihr Vater litt darunter, dass er des Französischen nicht mächtig war. »Ich komme mir vor wie ein Idiot!«, klagte er seinem Schwager. »Nicht einmal meine Referenzen kann ich abgeben. Man schlägt mir sofort jede Tür vor der Nase zu, weil ich die Fragen, die man mir anscheinend stellt, nicht verstehe und sie demzufolge nicht beantworten kann.«
    Auch hier wusste Eduard Fechner Rat. Tüchtigkeit und Energie waren wohl ein Merkmal seiner Familie. Schon am nächsten Morgen, als Friedrich Wieck und Clara noch frierend vor ihren Riesentassen saßen, tauchte eine sehr junge Frau auf, die sich invorsichtigem Deutsch als »Gabrielle« vorstellte und erklärte, »Monsieur Fechner« habe sie als Sprachlehrerin für »Mademoiselle Clará« engagiert. Das Honorar werde allerdings »Monsieur Wieck« zu entrichten haben, und das bitte täglich sofort am Ende der Unterrrichtszeit. Außerdem stehe sie jederzeit als Dolmetscherin zur Verfügung, wenn »Monsieur Wieck« eine solche benötige.
    Friedrich Wieck, dessen Talent es war, das Notwendige zu erkennen, war sofort einverstanden. »Jeden Tag sechs Stunden!«, bestimmte er kategorisch. »Wenn schon, denn schon.« Danach sollte Klavier geübt werden, dann kurz geruht. Zuletzt die jeweilige Abendveranstaltung. »Wir sind nicht zum Faulenzen hier. Wenn ich Zeit habe, werde ich ebenfalls

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