Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Maedchen am Klavier

Das Maedchen am Klavier

Titel: Das Maedchen am Klavier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosemarie Marschner
Vom Netzwerk:
Er hob hervor, was gefallen konnte, und überging, was Anstoß erregen würde. Seine Bilder machten glücklich, weil sie Selbsttäuschung erlaubten. Manchmal geschah es, dass ein Porträtierter das erworbene Vermögen wieder einbüßte. Dann war es leicht für ihn, »seinen Fechner« zu veräußern. Ganz schnell fand sich ein neuer Käufer, der in dem fremden Vorfahren, den es in der gezeigten Form nie gegeben hatte, Quellen seiner eigenen Existenz zu erkennen glaubte und sich beeilte, das Bild zu kaufen, ehe ein anderer zugriff.
    Eduard Fechner hatte es in Paris geschafft, so wie auch Clara Wieck es schaffen würde, davon war ihr Vater überzeugt. Es enttäuschte ihn nur, dass sein Schwager nicht bereit war, die Verwandtschaft aus Leipzig in seinem eigenen Haus aufzunehmen. Es sei eng in Paris, schrieb er von Anfang an. Wohnraum sei teuer. Zwar könne man nicht klagen, doch für zwei zusätzliche Personen sei in seiner Wohnung auf keinen Fall Platz. Selbstverständlich werde er aber in einem guten und nicht zu teuren Hotel vorbestellen. Auch im Übrigen werde er seinem geschätzten Schwager gern mit Rat und Tat zur Seite stehen.
    Hundertzwanzig Meilen von zu Hause. Am 15. Februar 1832 kamen Friedrich Wieck und seine Tochter in Paris an – trotz allen Herumreisens und der Gastspiele in vornehmen Häusern immer noch zwei sächsische Provinzler, nun gestrandet in der großen Welt.
    Eduard Fechner hatte gute Vorarbeit geleistet. Schon am Tag nach ihrer Ankunft trat Clara im Salon einer Madame Valentin auf, einer zufriedenen Kundin des Porträtisten. Friedrich Wieck war entsetzt, als er erfuhr, dass die Gäste erst nach zehn Uhr eintreffen und das Haus erst um etwa ein Uhr nachts wieder verlassen würden. Claras Auftritt solle den Abend festlich beschließen, teilte man ihm mit. Es war anscheinend wieder einmal an der Zeit, sie seinen »kleinen Russen« zu nennen und an ihren Ehrgeiz zu appellieren. Paris war wohl doch noch viel fremder, als man es vom gemächlichen Sachsen aus erwartet hatte.
    Das Schlimmste aber war die Kälte. In den Straßen mit den hohen Häusern pfiff ein schneidender Wind, dass man kaum um sich blicken konnte, sondern nur mit gesenktem Kopf und hochgestelltem Kragen dahineilte. Nicht einmal das »Hôtel de Bergère«, in dem sie logierten, bot eine Zuflucht. Das Foyer war pompös mit riesigen Spiegeln, Ölgemälden und mannshohen Blumengestecken aus verblichener Seide. Trotzdem herrschte auch hier eine polare Kälte, vor der selbst die Zimmer nicht schützten, elegant eingerichtete Räume, denen noch immer anzusehen war, dass man in diesem Land den Luxus liebte. Als jedoch am Morgen das Tageslicht durch die Fenster drang, entdeckte man die Schlieren auf dem Glas, den Staub auf den Möbeln und die verdächtigen Flecken auf dem Samtsofa. Als Clara die Tür zum Abtritt öffnete, fuhr sie mit einem Aufschrei zurück und hielt sich die Nase zu. Man hatte es wohl längst aufgegeben, diesen Raum in Reinigungsabsicht zu betreten.
    Auf der Kommode stand neben einem bemalten Lavoir ein Porzellankännchen mit Wasser. Daneben lag eine einzelne Serviette, wohl für beide Gäste gedacht. Friedrich Wieck läutete nach dem Stubenmädchen und versuchte gestenreich zu erklären, dass seine Vorstellung von Körperpflege mehr verlange. Doch das Mädchen verstand ihn nicht und ließ ihn achselzuckend einfach stehen. Am Abend war das zierliche Kännchen wieder ordnungsgemäß gefüllt, doch die Serviette war noch immer dieselbe. Clara lachte darüber, doch Friedrich Wieck dachte an seinen Arzt in Leipzig, der ihn von der Bedeutung der Hygiene überzeugt hatte. Zum ersten Mal seit langem spürte er wieder den Schmerz in seinen Wangen.
    Zum Frühstück trank man Kaffee aus riesigen Tassen und aß dazu Butterbrot. Im Raum war es noch immer eiskalt. Das Zimmermädchen, das den Kaffee gebracht hatte, hatte zwar den Kamin angezündet, doch ein Windstoß durch den Schornstein genügte, das Feuer wieder zu löschen. Friedrich Wieck versuchte, sich von innen her zu erwärmen, indem er eine der fünfzig Zigarren rauchte, die er aus Deutschland mitgebracht hatte. Als ergerade zur zweiten greifen wollte, traf sein Schwager ein und riss sogleich entsetzt die Fenster auf. Ja wisse Friedrich denn nicht, dass sich der stinkende Rauch in seinen und Claras Kleidern und Haaren festsetzen würde? »Man raucht hier nicht, lieber Schwager. In den Cafés nicht und auch nicht in den Salons. Die Damen würden euch aus dem Haus werfen, wenn

Weitere Kostenlose Bücher