Das Maedchen am Klavier
lauten Stimme, die in scharfem Kontrast zum Raunen des jungen Mannes stand. »Zahlender Gast würde ich es eher nennen – und das mit allen Verpflichtungen, aber auch kleinen Vergünstigungen, die dieses Arrangement mit sich bringt. Zahlender Gast und Schüler. So sieht es aus. Wir wollen uns doch keine falschen Vorstellungen machen.« Damit ergriff er Robert Schumanns Hand und schüttelte sie einmal kräftig von oben nach unten. »August, bring das Gepäck hinauf! Berta, sieh nach, ob in der Küche noch etwas zu essen da ist!«
Robert Schumann verbeugte sich erneut. »Vielen Dank, Herr Wieck«, antwortete er höflich. »Aber ich will keine Umstände machen. Ich habe keinen Hunger.« Er wandte sich um und griff nach einem Weidenkörbchen, das er auf einem der Koffer abgestellt hatte. »Für dich, Clara«, murmelte er und hielt es Clara, die sich im Hintergrund gehalten hatte, entgegen.
Clara trat vor und griff nach dem Geschenk. »Kirschen!«, rief sie erfreut. »Das haben Sie sich gemerkt, Herr Schumann?« Ohne zu zögern, steckte sie sich eine der Kirschen in den Mund. Dabei blickte sie Robert Schumann schelmisch und ohne Scheu direkt in die Augen – ein kleines Mädchen, das den Damen der Pariser Gesellschaft abgeguckt hatte, wie man sich einem Kavalier gegenüber verhielt.
Clementine, ganz verantwortungsbewusste Stiefmutter, runzelte die Stirn. »Willst du uns nicht auch etwas von deinem Geschenk anbieten, Clara?«, fragte sie mit pädagogischer Strenge.
Doch Clara schüttelte den Kopf. »Das tust du ja auch nicht mitdeinen Bonbons, Mutter, oder?«, antwortete sie in unschuldigem Ton.
Der Diener August griff nach den beiden größten Koffern und machte sich ächzend auf den Weg nach oben, gefolgt von einem Träger, der Robert Schumann von der Poststation herbegleitet hatte. Zum Erstaunen der Wieck’schen Familie holte er danach noch weitere Gepäckstücke von seinem Schubkarren.
»Das ist ja wie bei einer Primadonna!«, knurrte Friedrich Wieck missmutig.
Doch Robert Schumann beruhigte ihn. »Das ist praktisch mein gesamter Hausstand, Herr Wieck. Ich habe nichts in Heidelberg zurückgelassen.« Er lächelte. »Für mich beginnt heute sozusagen ein neues Leben. Endlich das wahre!« Er sprach so leise, dass man kaum verstand, was er sagte.
Als alles Gepäck nach oben geschafft war, steckte Robert Schumann dem Träger ein Trinkgeld zu. Die Münze war größer, als Friedrich Wieck, der genau aufgepasst hatte, es billigen konnte. Zu allem Überfluss trat nun auch August an Robert Schumann heran, Begehrlichkeit in den Augen und die rechte Hand auffordernd geöffnet.
Doch Friedrich Wieck stieß ihn beiseite. »Was bildest du dir ein!«, wies er ihn scharf zurecht. »Wir sind hier nicht im Grandhotel.«
Tatsächlich schien Robert Schumann an ein Leben wie im Grandhotel gewöhnt zu sein. Er erkundigte sich nach einer Waschfrau, nach einem Zeitungsboten, nach einem Schneider, einem Schuster und – jetzt trat Friedrich Wieck wirklich die Zornesröte ins Gesicht – nach einem Stiefelwichser.
»Alles hier im Hause!«, knurrte Friedrich Wieck. »Damit wir uns recht verstehen, Herr Schumann: Sie sind als Schüler hier und nicht als gräflicher Sommerfrischler. Ich fühle mich Ihrer Frau Mutter verpflichtet, von der das Geld kommt, das Sie ausgeben. Solange Sie in meinem Hause leben, soll es sparsam und bürgerlich zugehen. Wenn Sie einmal ein berühmter Pianist sind, können Sie es halten, wie Sie wollen.«
Alwin und Gustav zuckten erschrocken zusammen. Diesen Ton kannten sie. Sie wunderten sich, dass Robert Schumann in keiner Weise eingeschüchtert wirkte.
»Sie haben vollkommen recht, Herr Wieck«, antwortete er verbindlich. »Nichts könnte mir lieber sein als eine vernünftige Lebensführung.« Dann bat er um den Haustorschlüssel: »Falls es ausnahmsweise einmal später werden sollte.«
Clementine, vorausblickend wie immer, trug das Verlangte bereits in ihrer Rocktasche.
»Morgen früh werden wir einen genauen Ausbildungsplan erarbeiten«, kündigte Friedrich Wieck an. »Pünktlich um acht, gleich nach dem Frühstück.« Er wollte Robert Schumann noch zu einem Gespräch in den Salon einladen, doch der junge Mann erklärte, er habe nun doch Hunger. Da er aber den Haushaltsablauf um diese Zeit nicht mehr stören wolle, werde er in Poppes Gasthaus gehen, in den »Kaffeebaum« , den er schon früher sehr gemütlich gefunden habe. Ohne einen Kommentar abzuwarten, verbeugte er sich und verließ das Haus.
Die
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