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Das Maedchen am Klavier

Das Maedchen am Klavier

Titel: Das Maedchen am Klavier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosemarie Marschner
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Kraft, um für die Heilung zu kämpfen, und vielleicht auch die Kraft, um weiterzuleben. Immer öfter dachte er an seine Schwester, die sich einfachdas Leben genommen hatte. Ohne Klage und ohne Vorankündigung. Schwermütig war sie schon immer gewesen. Als dann aber noch dazu ein Hautleiden nicht abklingen wollte, war es ihr zu viel geworden. Zu viel, so wie jetzt ihm. Er schmetterte die Cigarrenmechanik gegen die Tischkante und trampelte auf den Trümmern herum. Dann zog er seinen Rock an und ging in den »Kaffeebaum« . Eine Runde für alle, danach für ihn selbst einen Humpen Bier und dann noch einen. Zuletzt Champagner, schließlich hatte man etwas zu feiern. Was? »Dass ich überhaupt noch lebe«, schluchzte er betrunken. »Obwohl das eigentlich kein Grund zum Feiern ist.«
    Im Wieck’schen Hause wurde unterdessen ein Kind geboren. Ein Knabe. Clementine, erschöpft, aber voller Stolz auf die eigene Leistung, beschloss, dass das Kind nach ihr selbst »Clemens« heißen sollte. Auf ihren Gatten wollte sie keine Rücksicht mehr nehmen. Wo war er in den letzten Wochen gewesen, als sie ihn gebraucht hätte? Wie konnte er es wagen, ihr auch noch die Klavierlieferungen aufzuhalsen?
    Dann sah sie das Kind an, das gebadet und müde neben ihr schlief. Was für ein schöner Knabe!, dachte sie. Schon Marie war hübscher gewesen als alle anderen Kinder, die Clementine je gesehen hatte. Doch Clemens übertraf seine ältere Schwester noch bei weitem. Kein Kind konnte schöner sein als er.
    Während Clementine schlief und auch alle anderen, lehnte ein Nachtwächter den betrunkenen Robert Schumann ans Tor des Wieck’schen Hauses. Durch kräftiges Hämmern machte sich der Mann bemerkbar, dann ging er weiter. Es war spät und er verachtete Trunkenbolde. An der nächsten Ecke drehte er sich noch einmal um. In der Dunkelheit sah er niemanden mehr vor dem Eingang stehen. Er bemerkte nicht, dass sein Schützling zu Boden geglitten und dort eingeschlafen war. Erst am Morgen wurde er von August gefunden und stolperte verwirrt zu seiner Wohnung hinauf, wo er sofort weiterschlief und dabei immer wieder aufschluchzte.Von diesem Tag an war Robert Schumann ein anderer. Eusebius gab es nicht mehr. Florestan, der Wilde, hatte die Herrschaft übernommen. Er hörte auf, sich um die Pflege seiner Hand zu kümmern. Er schwänzte den Kompositionsunterricht, bis ihm sein Lehrer Dorn ausrichten ließ, er brauche überhaupt nicht mehr zu kommen. Zu den Mahlzeiten erschien er ebenfalls nicht und er grüßte kaum, wenn er einem der Hausbewohner begegnete. Sogar Clara ging er aus dem Weg, was ihr anfangs leidtat, dann aber gleichgültig wurde. In der zielstrebigen Schule ihres Vaters hatte sie früh genug gelernt, sich durch die Launen anderer nicht von der eigenen Arbeit abhalten zu lassen. Ein paarmal fragte sie ihn noch, ob er Lust habe, mit ihr nach Connewitz zu wandern, doch dann gab sie es auf und ließ sich von August erzählen, was der »feine Herr Musikstudent« so alles treibe.
    Schon mehrmals habe man Robert Schumann im Goldhahngässchen gesehen, das ja bekanntermaßen der Standplatz der Leipziger Huren sei, berichtete August. Weiters treffe er sich regelmäßig mit einer gewissen Christel, einer Kellnerin, mit der er es angeblich schon bei seinem ersten Aufenthalt in Leipzig heftig habe krachen lassen. Eine flotte Person, nicht unsympathisch, wie es hieß, und ziemlich verliebt in den feinen jungen Herrn. Es gebe Gerüchte, dass man ihrem Gesundheitszustand nicht voll vertrauen könne, »wenn du weißt, Clara, was ich meine. Aber du warst ja in Paris, da hast du bestimmt alles Mögliche aufgeschnappt.« August hielt erschrocken inne. Er fürchtete plötzlich, zu viel geredet zu haben. »Deinen Eltern darfst du natürlich nichts von dem sagen, was ich dir erzählt habe«, drängte er besorgt. Madame Wieck würde ihn womöglich aus dem Haus werfen, wenn sie erfuhr, mit welch unpassenden Einzelheiten er ihre Stieftochter belästigte, und Herr Wieck – Gott im Himmel! – würde ihm bestimmt sogar die Hucke vollhauen. Sein Goldstück war dem Herrn Papa heilig, dabei war die Kleine doch offenkundig recht interessiert an den Tatsachen des wahren Lebens. Man schleppte ein unschuldiges Kind eben nicht ungestraft zu den verdorbenen Franzmännern.
    So schwieg er nun und wollte sich fortmachen. Doch Clara beharrte auf weiteren Einzelheiten, wollte immer noch mehr wissen und drohte ihm zuletzt sogar, sie werde ihrem Vater alles erzählen, wenn August

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