Das Mädchen am Rio Paraíso
Dienstboten niedergeschlagen waren, wenn nicht gar vor Sorge vollkommen außer sich. So viel Pech auf einmal würden sie nie einem Zufall zuschreiben, sondern einen missgestimmten Orixá dafür verantwortlich machen. Ihr Aberglaube war sehr ausgeprägt, hatte Klara beobachtet, und wenn es darauf ankam, entpuppte sich alle christliche Erziehung als reine Fassade. Im Zweifel trauten die Schwarzen ihren heidnischen Gottheiten mehr Macht zu als dem Gott der Christen.
Umso erstaunter war sie, als sie merkte, wie gutgelaunt die Sklaven waren, geradezu beschwingt. Aus der Küche hörte sie lautes Gelächter und obszöne Rufe. Klara wagte einen Blick hinein, obwohl sie wusste, dass man sie gleich wieder fortjagen würde. Es ging dort zu wie in einem Taubenschlag. Emsig wurde da Teig geknetet, Gemüse geputzt, Fleisch entbeint, Suppe gekocht, wurden Fischklößchen gebraten und
pastéis
gebacken. Die Schwarzen waren mit vollem Einsatz dabei, schwitzten, rannten hektisch hin und her, gaben sich freundschaftliche Knuffe und erzählten einander Witze, die Klara nicht verstand. Und mittendrin thronte Teresa wie die Königin in einem Bienenkorb.
Sie saß am Tisch, vor sich eine Torte, die sie offenbar mit Zuckerguss verzieren wollte. Ihr eingegipster Fuß lag auf einem Schemel. Mit der Torte schien sie keine Eile zu haben, denn ihr Blick huschte unablässig durch die Küche, während sie den Leuten Anweisungen zurief. Keine Einzelheit entging ihr, jede noch so geringfügige Nachlässigkeit wurde sofort mit einem Tadel oder einer höhnischen Bemerkung geahndet. »Wie schludrig schälst du den Maniok, Luisa?«, »He, Carlos, gehst du bei deinem Liebchen auch so derb ran wie bei dem Schweinebraten?«, »Maria da Graça, du sollst die Masse schaumig rühren und nicht zu Tode quälen!« Und schließlich: »Klara, Schätzchen, bring mir dieses faule Gesindel nicht durcheinander. Geh ins Esszimmer, Isaura wird gleich mal ihren fetten Hintern, mit dem sie andauernd vor José herumwackelt, für etwas Sinnvolleres in Bewegung setzen müssen und dir dein Frühstück bringen.«
Klara verdrückte sich sofort. Teresas Ton duldete keine Widerrede. Sie ging ins Esszimmer und setzte sich an den Tisch, der nur für eine Person gedeckt war. Raúl hatte wahrscheinlich bereits gegessen. Gott sei Dank. Andererseits hätte Klara gerade jetzt gern Gesellschaft gehabt, möglichst von einer Person, die ihr erklären konnte, warum alle sich so vollkommen unbeeindruckt von dem schlechten Wetter zeigten.
Kurz nachdem Isaura ihr ein leichtes Frühstück serviert hatte, humpelte Teresa an ihrem Krückstock herein.
»Der Regen … er macht dir keine Sorgen?«, fragte Klara und verwünschte einmal mehr ihre Unfähigkeit, weniger plumpe Formulierungen zu finden.
»Aber warum denn,
menina?
Wir alle freuen uns darüber. Es ist ein besonderer Gunstbeweis der Götter, wenn es regnet. Nicht, dass ich an diesen afrikanischen Firlefanz glauben würde …«
Klara zog skeptisch eine Augenbraue hoch und grinste die Schwarze an. Die schmunzelte ebenfalls.
»Na ja, nur ein bisschen.«
»Aber das Fest …?«, erkundigte Klara sich.
»Das Fest wird wundervoll. Die Männer werden Zelte errichten. Das hatten wir schon einmal, vor sieben Jahren, und es war eine der gelungensten Feiern, die man sich nur vorstellen kann. Weißt du, die Leute rücken dann enger zusammen, machen es sich gemütlicher, trinken auch mehr.«
»Und das Feuer?«
»Darum brauchst du dir wirklich keine Gedanken zu machen. Das Brennholz, das wir gestern aufgeschichtet haben, wurde mit einer Plane abgedeckt. Und wenn es heute Abend angezündet wird, dann brennt es lichterloh, ganz gleich, wie viel Wasser vom Himmel herunterkommt.«
Klaras Zweifel waren zwar noch nicht vollständig ausgeräumt, dennoch hob sich ihre Laune merklich. Teresas Optimismus war ansteckend.
Und ihre Voraussagen stimmten alle, wie sich am Abend zeigte. Noch immer nieselte es, doch dank der Dunkelheit war zumindest das Grau nicht mehr zu sehen, das Himmel, Erde, Hof und Lebewesen mit seiner stumpfen Tristesse überzogen hatte. In den Zelten flackerten unzählige Lichter, die eine freundliche, behagliche Atmosphäre schufen. Die Gäste waren alle in ihren Festtagstrachten gekommen, zu denen sie vernünftiges Schuhwerk trugen. Gegen die Kälte waren die Frauen durch ihre
mantilhas
und Stolen geschützt und die Männer durch ihre
ponches,
die sie aber im Verlauf des Abends ablegten, gewärmt von deftigen Speisen,
Weitere Kostenlose Bücher