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Das Mädchen am Rio Paraíso

Das Mädchen am Rio Paraíso

Titel: Das Mädchen am Rio Paraíso Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ana Veloso
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gegeben hätte. Und obwohl sie genau wusste, dass dieser eitle Mensch einzig aus Boshaftigkeit so schlecht über seinen Gastgeber sprach, erreichte Eduardo Felipe sein Ziel: Klara war mit einem Mal jegliche Lust vergangen, Raúls Gesellschaft zu suchen.

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    H interher habe ich mir gesagt, dass es Hannes’ Eitelkeit gewesen sein musste. Weil ich dem Dieb nachgelaufen war und nicht er, fühlte er sich wie ein Schlappschwanz. Wie einer, der seiner Frau die schwierigen Aufgaben überlässt. Wie einer, der nicht Manns genug war, einen Eindringling selbst zu stellen. Wären nicht genau während des unseligen Vorfalls die Schmidtbauers aufgekreuzt, hätte Hannes ganz sicher anders reagiert. Aber sie waren ja nun einmal gekommen. Ich reimte mir das Ganze dann so zusammen, dass Hannes tatenlos im Hof gestanden und in den Wald gestarrt hatte, als das Pferdefuhrwerk der Schmidtbauers angerumpelt kam.
    »Klärchen ist mit einer Heugabel in den Wald gerannt«, wird er gesagt haben. Agathe und Wilhelm werden befremdet dreingeschaut haben, und erst da wird Hannes aufgegangen sein, was für einen – in seinen Augen – armseligen Eindruck er machte. »Na ja, sie hat wieder was gesehen. Immerhin keinen
jacaré
diesmal.«
    So dürfte es sich zugetragen haben. Aber egal, wie es sich genau abgespielt hatte, das Ergebnis war immer dasselbe: Unsere Nachbarn glaubten, ich wäre verrückt geworden. Und mein Mann unterstützte sie auch noch in diesem Irrglauben. Die Geschichte würde die Runde machen. Alle Leute in der Colônia würden denken: »Ach Gottchen, die Frau vom Wagner, gerade ein Kind bekommen, dann der Unfall vom Hannes, das war wohl ein bisschen zu viel für die Ärmste.« Einige würden sich vielleicht sogar an die Episode mit dem Krokodil erinnern und sagen: »Nun, so ganz richtig war sie ja noch nie im Oberstübchen.«
    Der Einzige, der die Wahrheit kannte und dem man sie auch abgenommen hätte, war Hannes. Ich fragte ihn, warum er mir das antat. Er war doch dabei gewesen, hatte mit eigenen Augen den Dieb gesehen. Und das Schwein blieb natürlich ebenfalls verschwunden, ein weiterer Beweis dafür, dass es sich um einen Diebstahl gehandelt hatte und nicht um ein Hirngespinst von mir.
    »Warum tust du das, Hannes?«
    »Tue ich was?«
    »Stell dich doch nicht dümmer, als du bist. Warum verleumdest du mich? Warum willst du allen weismachen, ich würde allmählich irr werden?«
    »Das will ich doch gar nicht. Da redest du dir was ein, Klärchen. Und da liegt ja genau der Hase im Pfeffer: Deine Phantasie geht immer öfter mit dir durch.«
    »Das stimmt nicht. Ich weiß, was ich gesehen habe. Es war keine Einbildung. Und ich weiß, dass du es auch weißt. Was ich nur nicht verstehe, sind deine Gründe. Fühlst du dich besser, wenn ich schlechter dastehe?«
    »Was soll das denn jetzt bitte heißen?«, brauste er auf. »Du willst mir doch wohl nicht unterstellen, ich hätte solche fiesen Spielchen nötig?«
    »Ich«, sagte ich ernst und sah ihm tief in die Augen, »unterstelle dir überhaupt nichts. Du bist es doch, der mir etwas unterstellt.« Damit drehte ich mich um und verließ das Haus. Von der Tür rief ich ihm noch zu: »Ich muss aufs Feld, zwischen dem Unkraut nach ein paar restlichen Maispflanzen suchen. Damit du satt wirst.«
    Ich brauchte mich nicht umzusehen, um zu wissen, dass Zorn in seinen Augen aufblitzte. Aber auch meine Langmut hatte Grenzen. Ich sah nicht ein, dass ich mich ganz allein um alles kümmern musste und zur »Belohnung« nichts als Lügen, Verleumdungen und Hohn erntete. Es ging über meine Kraft. Wenn Hannes nicht bald wieder zur Vernunft kam, würde ich wahrscheinlich wirklich verrückt werden.
     
    Antonia Schmidtbauer war übrigens nicht mit Friedhelm durchgebrannt und auch nicht von ihm in die missliche Lage gebracht worden. Der Schuldige hieß Konrad Oberländer, war der Sohn eines Sattlers aus dem Süddeutschen und mit seinen siebzehn Jahren nur unwesentlich älter als das arme Mädchen. Es wurde viel beratschlagt und lamentiert. Nachdem sowohl Antonia als auch Konrad von ihren Vätern Dresche bezogen hatten, nachdem von den Müttern literweise Tränen vergossen worden waren und das junge Glück glaubhaft versichert hatte, es handle sich um die eine wahre, große Liebe, wurde eine Hochzeit anberaumt. Während die Familien des Paares nicht wirklich glücklich über die Entwicklung waren, ihnen andererseits aber auch keine bessere Lösung einfiel, jubilierten wir anderen Kolonisten: die

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