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Das Mädchen am Rio Paraíso

Das Mädchen am Rio Paraíso

Titel: Das Mädchen am Rio Paraíso Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ana Veloso
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hochprozentigen Getränken und der sich zunehmend aufheizenden Luft in den Zelten.
    Am höchsten ging es in dem Zelt her, in dem sich der Tanzboden befand. Eine Musikergruppe spielte traditionelle Gaúcho-Musik, und die Leute tanzten dazu ihre Volkstänze. Klara beobachtete das Treiben aus sicherer Entfernung. Sie beherrschte keinen dieser Tänze, und es wäre ihr sehr peinlich gewesen, aufgefordert zu werden und ablehnen zu müssen. Doch die Musik war beschwingt und fröhlich, so dass Klara im Takt mit den Füßen wippte und sehnsüchtig zu den tanzenden Paaren blickte. Daheim, in Ahlweiler, hätte sie nichts in der Welt davon abhalten können, die ganze Nacht hindurch zu tanzen.
    »Möchtest du es lernen?«
    Klara zuckte zusammen. Raúl war von hinten zu ihr herangetreten und hielt ihr nun auffordernd eine Hand hin.
    »Ja.« Nach einer kurzen Pause fügte sie hinzu: »Nein.« Oje, er musste sie ja für vollkommen verblödet halten.
    »Verstehe«, sagte er. »Du würdest gern, traust dich aber nicht.«
    Klara nickte.
    »Komm, der nächste Tanz ist ganz leicht. Du hüpfst einfach von einem Fuß auf den anderen und machst ansonsten den Frauen alles nach. Im Grunde dreht ihr euch nur links herum, wir Männer bewegen uns kreisförmig im Uhrzeigersinn. Dann das Ganze umgekehrt – bis du irgendwann wieder vor mir stehst.«
    Also schön. Mehr als dass sie hinfiel, die Ordnung dieses Tanzes durcheinanderbrachte und sich bis auf die Knochen blamierte, konnte eigentlich nicht passieren.
    »Schnell, sonst fangen sie ohne uns an.« Damit zog Raúl sie zur Tanzfläche, wo bereits sieben weitere Paare Aufstellung genommen hatten. Sie standen in zwei Kreisen da, außen die Männer, innen und ihren Tanzpartnern zugewandt die Frauen. Alle hatten die Hände in die Taille gestemmt.
    Und dann ging es los. Alle hüpften von einem Fuß auf den anderen, genau wie Raúl gesagt hatte. Klara tat es ihnen gleich. Bisher war es wirklich ganz einfach. Dann stampften die Männer mit den Füßen auf, klatschten in die Hände und gaben damit offenbar das Signal dafür, dass die beiden Kreise sich nun umeinander drehen sollten. Klara setzte sich ein wenig verzögert in Bewegung, holte aber rasch auf. Den Ablauf des Tanzes hatte sie nicht nennenswert beeinträchtigt. In Seitwärtsschritten und ziemlich hoher Geschwindigkeit drehten die Frauen sich linksherum, während der Kreis aus Männern sich in die andere Richtung bewegte und dadurch den Eindruck noch höherer Beschleunigung erzielte. Klara war froh, dass sie keinen Wein getrunken hatte, denn sonst wäre ihr sicher schwindlig geworden.
    Nach einigen Runden wurde die Richtung geändert. Wieder kam Klaras Einsatz etwas verspätet, aber auch diesmal wirkte es sich nicht störend auf den Ablauf aus. Sie hatte immer mehr Spaß an der Sache. Es war ein rasanter Tanz, bei dem die Röcke hochwirbelten, die Haare flogen, bei dem alle rote Wangen bekamen und kurzatmig wurden. Als die beiden sich umeinander drehenden Kreise abrupt anhielten, reagierte Klara erneut zu spät, aber Raúl, vor dem sie hätte stehenbleiben müssen, griff nach ihrem Ärmel und hielt sie davon ab, noch weiter seitwärts zu tanzen und womöglich jemandem auf die Füße zu treten. So plötzlich in ihrem Schwung gebremst, verlor Klara das Gleichgewicht – und fand sich auf einmal in Raúls Armen wieder.
    Er lachte und ließ sie sofort los, aber der kurze Moment hatte genügt, um Klara ins Bewusstsein zu rufen, wie sehr sie sich nach der Umarmung dieses Mannes sehnte. Sie hoffte, dass man es ihr nicht anmerkte. Dass sie errötet war, würden die anderen Leute doch gewiss auf den anstrengenden Tanz zurückführen, oder? Die Kapelle spielte die letzten Takte des Stückes, die Tänzer stampften und klatschten und verbeugten sich schließlich vor ihren Partnerinnen. Klara war erleichtert, dass es vorbei war und sie es ohne größere Fehltritte durch den Tanz geschafft hatte. Zugleich jedoch bedauerte sie, dass Raúl sie nun von dem Tanzboden fortführte.
    Er hatte eine Hand in ihr Kreuz gelegt und schob sie vor sich her, auf den Zeltausgang zu. »Gleich wird das Feuer angezündet. Das willst du dir doch sicher nicht entgehen lassen.«
    Inzwischen gingen auch weitere Gäste nach draußen. Der Regen hatte sich gelegt, und alle blickten gespannt zu dem riesigen Scheiterhaufen. Raúl wechselte mit jedem seiner Gäste ein paar belanglose Worte oder winkte jenen zu, die weiter entfernt waren. Dennoch wurde Klara den Eindruck nicht los,

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