Das Mädchen Ariela
in sein Zimmer, und Ariela schlief am Tisch ein, den Kopf auf der Tischplatte.
Um vier Uhr rauschte es in dem kleinen Sender. Rishon drückte die Kopfhörer fest an die Ohren.
Gruppe eins … Kafrein erreicht.
Gruppe zwei … hinter Madaba, auf der Piste nach Ma'in.
Rishon stellte den Empfänger ab und beugte sich über Ariela. Als er ihren Nacken küßte, wachte sie auf.
»Gute Nachricht, Moshe?« fragte sie schlaftrunken.
»Ja. Es scheint, daß sie durchkommen.«
Am Morgen, um sechs Uhr, verließen Ariela, Schumann und Rishon das Haus Mohammeds. Zu Fuß gingen die beiden Männer voraus. Ariela folgte ihnen in wallenden schwarzen Gewändern und tief verschleiert wie eine strenggläubige Moslemfrau.
Sie gingen bis zu einem in der Frühe noch leeren Platz, wo ein Milchauto stand, eines jener Autos mit Thermoskessel, in denen die Milch kalt und frisch bleibt und über weite Strecken transportiert werden kann. Auf dem Milchtank stand in großen schwarzen arabischen Lettern: Milchzentrale Amman.
»Mohammed ist wirklich ein Genie«, sagte Schumann bewundernd. »Einen solchen Wagen zu organisieren!«
»Er ist umgebaut, und eine Milchzentrale Amman gibt es gar nicht.« Rishon öffnete die Tür. Der Zündschlüssel steckte. »Aber wer merkt das schon? Kein Polizist wird sich die Blöße geben, eine staatliche Stelle nicht zu kennen. Allein das Wort Zentrale hat eine magische Kraft … man vergißt das Fragen.« Er stieg in den Wagen, kontrollierte die Papiere im Handschuhfach und klappte dann die Lehne des Fahrersitzes nach vorn. Ein breiter Einstieg in den leeren Tank wurde sichtbar.
»Bitte einsteigen!« sagte Rishon mit einem matten Lächeln. »Luft ist genug drin, kühl ist es auch, zwei Taschenlampen liegen auf dem Boden …«
Ariela und Schumann krochen in den großen Tank, knipsten die Lampen an und nickten Rishon zu, der durch den Einstieg hineinsah.
»Alles in Ordnung«, sagte Schumann.
Rishon zögerte plötzlich. Jetzt sind sie doch allein, fiel ihm ein. An alles hatte er gedacht, nur daran nicht. Nun war es zu spät, etwas zu ändern.
Nach einem langen Blick auf Ariela klappte er die Rückenlehne wieder zurück, ließ den Motor an und fuhr langsam, denn die Federung war nicht mehr gut, vom Platz weg durch die engen Straßen bis zur Hauptstraße, bis zum Tor in die weit in der Ferne liegende Freiheit.
»Wir fahren«, sagte Schumann drinnen, während sie durcheinandergeschüttelt wurden.
»Ja, wir fahren, Peter.« Ariela umarmte ihn, drückte sich an ihn und überschüttete ihn mit Küssen. »Allein«, sagte sie, »endlich allein. Oh, ich liebe dich, Peter …«
Bis Jerusalem lagen noch vierhundert Kilometer vor ihnen.
Wüste. Einsamkeit, Sonnenglut. Staub und Sand. Und Minen.
Minen, die seit Wochen am Jordan und an der ganzen Grenze gegen Israel in die Wüste gegraben wurden. Minen, die als Feuergürtel verhindern sollten, daß nochmals israelische Panzer über jordanisches Land rollten. Minen … der unsichtbare, vergrabene, brüllende, unentrinnbare Tod.
Das aber wußten sie nicht …
Mahmud brachte einen Strauß herrlicher Rosen mit, als er Narriman besuchte. Er ließ Narriman daran riechen und hieb ihn ihr dann um den Kopf. Dabei lachte er dröhnend und erfreute sich an dem Bild, wie sie sich die Blutstriemen abwischte, die die Dornen in ihre Haut gerissen hatten.
»Es ist ein unbeschreibliches Entzücken, zuzusehen, wie ich dich demütigen kann«, sagte Mahmud. »Noch unbeschreiblicher war es, zu erreichen, was ein Mann alles bei einer Frau, wie du es bist, erreichen kann.«
Er setzte sich Narriman gegenüber auf eines der ledernen Sitzkissen, die überall im Raum verstreut lagen. »Übrigens bist du tot, mein stolzer Wüstenfalke. Man hat deine Leiche in deinem verbrannten Auto gefunden, und Suleiman soll sehr traurig sein, habe ich mir sagen lassen. Er will dich mit großen Ehren begraben.«
Narriman schwieg. Sie wußte, was das bedeutete. Mahmud hatte sie in seinen Harem aufgenommen. Ihr Leben würde in diesem goldenen Käfig enden … oder sie teilte eines Tages das Schicksal Aishas, die jetzt als verkohlte Leiche im Keller des Hospitals von Amman lag.
»Zieh dich aus!« sagte Mahmud plötzlich. Narriman zuckte zusammen und spreizte die Finger, wie eine Raubkatze ihre Krallen zeigt.
Ihr Gesicht veränderte sich rasch. Nach den kühlen Überlegungen, was gegen Mahmuds satanische Pläne zu tun sei, kam Widerstand und wilde Entschlossenheit in ihren Blick. Mahmud klatschte in die
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