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Das Mädchen Ariela

Das Mädchen Ariela

Titel: Das Mädchen Ariela Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Plötzlich war auch ihm bewußt, wie dumm und zeitraubend es war, sich jetzt an einen Tisch zu setzen und zu essen, als stehe die Uhr still während dieser Stunde.
    Er blickte auf Arielas aufgelöste kupferne Haare. Dann beugte er sich vor und legte sein Gesicht hinein. »Du …«, sagte er. »Du …«
    Kann man erklären, was ein Rausch ist, wenn der Himmel auf die Erde fällt oder die Erde aufbricht und alles wie in Flammen aufzugehen scheint? Wie zwei Meere, die gegeneinander branden, wie zwei heiße Stürme, die sich treffen und die Wolken aufreißen, so fielen sie sich in die Arme.
    In Augenblicken klarer Nüchternheit sah sie, daß sie im Sand lagen, daß der Staub des Negev über ihre Körper wehte, Sand knirschte im Mund und in den Haaren.
    Einmal, sie wußte nicht, wann, hob er sie auf und trug sie zum Bett. Mit einem nassen Handtuch rieb er sie ab, gab ihr zu trinken, und sie trank gierig den kalten Orangensaft, schlang dann die Arme wieder um seinen Nacken und zog ihn zu sich. »Du kannst stolz sein!« keuchte sie und hielt ihn fest. »Oh, du kannst stolz sein … Und dem Krieg kannst du danken … den Panzern, die draußen fahren … den Stimmen aus dem Radio, die von unserem Recht zu leben sprechen … Ein Pulverfaß ist diese Welt, und die Lunte glimmt … Und wir lieben uns, wir dürfen uns lieben, ein einziges Mal, bis wir alle in die Luft fliegen! Es ist Wahnsinn, aber zum erstenmal ist der Wahnsinn schön. Morgen ist alles vorbei …«
    »Morgen ist ein Tag wie jeder andere, Ariela.« Er kniete vor ihr und hatte seinen Kopf auf sie gelegt.
    »Du bist meine erste große Liebe, Peter.« Sie hielt ihm den Mund zu, als er etwas fragen wollte und nickte. Ihre Augen waren dunkel und weit. »Es gab schon einmal einen Mann. Vor vier Jahren. Wir lebten in einem Lager, zweihundert Mädchen, zum erstenmal in Uniform. Es war die Grundausbildung. Marschieren lernten wir, schießen, sich tarnen, über den Boden kriechen wie ein Molch, sich eingraben, stürmen, sich verstecken. Wir marschierten durch glühende Sonne und durch eiskalte Nächte, wuschen uns in Pfützen und schliefen im Sand. Aber abends kämmten wir uns den Sand aus den Haaren, rieben Creme in unser verbranntes Gesicht, holten den Lippenstift aus dem Versteck und machten uns hübsch.« Sie streichelte Schumann, küßte ihn und fuhr fort: »Er hieß David. Er war Student in Tel Aviv und arbeitete in den Semesterferien auf einem Moshav-Ovdim, der in der Nähe unseres Lagers war. Du kennst die kleinen Bauernsiedlungen …« Sie wartete die Antwort nicht ab, sondern sprach schnell weiter. »Ich war achtzehn Jahre, und ich glaubte alles. Und ich war voll Neugier. Kennst du Neugier, Peter? Sie ist wie Hunger und Durst. Man muß ihr nachgeben. Als ich wußte, was es heißt, eine Frau zu sein, war ich glücklich und erschrocken zugleich über mich selbst. Nach den Semesterferien ging David wieder nach Tel Aviv. Er war ein Lügner. Er wollte sich nur amüsieren. Er wanderte aus nach Amerika und verschwand.« Sie dehnte sich.
    »Nun bist du da … und wieder wird alles zu Ende sein, ehe es begonnen hat, reines Glück zu werden. O Peter … ich habe Angst vor dem Morgengrauen …«
    Später lagen sie nebeneinander auf dem schmalen, harten Feldbett. Er hatte sie immer wieder liebkost. Sie hatte ihr Gesicht an seine Brust gepreßt und in ihn hinein geschrien: »Ich liebe dich … ich liebe dich … O Gott … O Gott … ich liebe dich …«
    Ist soviel Glück möglich, dachte er. Die Welt wird in Flammen stehen, und wir ertrinken in unserer Liebe. O Himmel, gütiger Himmel, zerstöre dieses Märchen nicht …
    Um sechs Uhr früh klingelte der Reisewecker neben den Reagenz gläsern. Ariela hatte ihn gestellt. Sie sprang aus dem Bett, dehnte sich, wusch sich in Schumanns Gummiwanne und zog sich dann an.
    Er sah ihr zu, während er den Kaffee aufbrühte. Als sie die Haare zusammenbinden wollte, wie es in Uniform Vorschrift war, hielt er ihre Hände fest.
    »Nicht. Noch nicht … bis du gehen mußt. Du siehst so streng aus mit dem Knoten. Wenn du den Helm aufsetzt, habe ich dich verloren. Bitte …«
    Sie ließ die Haare offen, und so tranken sie Kaffee. Die Morgenkühle war erfrischend nach der seligen Nacht, sie sprachen wenig in diesen Minuten, sahen sich nur an, und alle Zärtlichkeit sprach aus ihren Augen.
    »Ich komme morgen wieder«, sagte Ariela, obwohl sie sich bewußt war, daß es eine Lüge war. »Ich werde mir wieder Urlaub geben lassen.«
    Dr. Schumann

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