Das Mädchen Ariela
ließ den Burnus flattern und sah nicht, wie ein Trupp israelischer Soldaten hinter dem Zaun die Schnellfeuergewehre hob und auf den jordanischen Jeep zielte, der auf sie zuraste. Erst als die Einschläge auf das Blech prasselten und die Windschutzscheibe zersplitterte, merkte Rishon, daß ihn seine eigenen Brüder beschossen.
»Aufhören!« brüllte er. »Aufhören!« Er schwenkte den weißen Burnus, hielt den Jeep an und sprang in den Sand. Aber wer hört schon eine Stimme in einer Staubwolke?
Noch vier Schritte vorwärts machte Moshe Rishon, bis ihn die erste Kugel traf. Sie schlug in seinen Oberschenkel und warf ihn in den Sand.
»Ihr Idioten!« brüllte er. »Oh, ihr Idioten!«
Hinter ihm begann der Jeep zu brennen und explodierte dann. Es war das letzte, was Rishon hörte.
11
Mahmud ibn Sharat war verblüfft und tat sehr erfreut, als ihm Besuch gemeldet wurde und Suleiman in seinen Palast kam. »Welch eine Freude und Ehre!« rief er und verbeugte sich tief. »Al lah segne Ihren Eingang, Suleiman. Mein Haus soll das Ihre sein, wenn Sie sich herablassen wollen, so bescheiden zu wohnen.«
Suleiman schwieg und ging an Mahmud vorbei in den großen Salon. Aufmerksam sah ihm Mahmud nach. Was bedeutet das? dachte er. Wenn Suleiman zu mir kommt, hat das einen bestimmten Grund. Außerdem ist er nicht allein gekommen. Neben seinem Wagen ritten zwanzig Reiter der berühmten Arabischen Legion. Nun waren sie abgesessen und standen neben ihren weißen Kamelen im Innenhof.
Das war es vor allem, was Mahmud nachdenklich stimmte. Das ist ein kriegerischer Aufmarsch, dachte er. Ob Suleiman eine Spur von Dr. Schumann aufgenommen hat?
Suleiman trat an das Gitter des Balkons und blickte hinüber zu den kleinen Gärten und Pavillons des Harems, auf den Mahmud so stolz war. Zwei Eunuchen sprengten den Rasen.
»Ich habe Lust, mich ein wenig mit Ihnen zu unterhalten, Mahmud«, sagte Suleiman und wandte sich um. Er holte eine goldene Zigarettendose aus der Tasche, und Mahmud gab ihm Feuer. »Ich bin seit dem Tod Narrimans nicht zur Ruhe gekommen.«
»Ein schreckliches Schicksal«, sagte Mahmud und senkte den Blick. »Lebendig verbrennen …«
»Hier fangen schon die Rätsel an.« Suleiman kreuzte die Arme über der Brust und musterte Mahmud nachdenklich. »Die Obduktion hat ergeben, daß Narriman schon tot war, als sie verbrannte.«
»Sie haben sie obduzieren lassen?« fragte Mahmud mit einem schiefen Lächeln.
»Natürlich. Wir sind ein moderner Staat. Wir wissen jetzt, daß in Narrimans Lunge keinerlei Rußablagerungen waren, keine Rauchrückstände, daß aber der Tod trotzdem durch Ersticken eintrat. Sie wurde erwürgt. Ganz einfach erdrosselt, mit einem Strick. Was sagen Sie nun?«
»Ich bin erschüttert, Suleiman.«
»Nicht wahr? Ein Unfall wäre tragisch gewesen, ein Mord an Narriman aber wird politisch! Narriman war meine beste Agentin. Es gibt keine Frau in den arabischen Staaten, die ihr gleichzustellen wäre, weder an Schönheit noch an Klugheit. Ich habe sie sehr verehrt, Mahmud. Sie war für mich wie mein eigener Augapfel.«
»Sie war wirklich eine außergewöhnliche Frau«, bestätigte Mahmud. Er sah an Suleiman vorbei. Was soll das, dachte er, und er spürte, wie Angst in ihm aufstieg. Warum erzählt er mir das? Hat ein so mächtiger Mann es nötig, einem kleinen Händler sein Herz zu offenbaren?
»Der Tod Narrimans hat für Jordanien unübersehbare Folgen. Doktor Schumann konnte flüchten, Ariela Golan ist fort, Herbert Frank ist mit ihnen geflohen. Vielleicht wären sie schon wieder in unseren Händen, wenn uns Narrimans Klugheit noch helfen könnte. Sie kannte genau die Zusammenhänge, sie starb genau zur richtigen Zeit, sie hatte sogar die Lösung in der Hand, wer Oberst Kemal das Gift in den Kaffee getan hatte. Narrimans Tod kann Jordanien in seinem Kampf gegen die Juden um Jahrzehnte zurückwerfen.«
»Das ist die Tragik der Geschichte, Suleiman.« Mahmud hob beide Hände. »Ich hatte die gleichen Überlegungen. Es ist ein Rätsel, warum uns Allah zürnte.«
»Es gibt Rätsel, Mahmud, die löst man mit einem Streich. Erinnern Sie sich an Alexander den Großen, der den Gordischen Knoten mit dem Schwert durchschlug. Das ist eine Methode, die sich immer wieder anwenden läßt.« Er ging zur Tür und stieß sie auf. Fünf Reiter der Arabischen Legion traten ins Zimmer. Mahmuds Gesicht wurde fahl. In seine schwarzen Augen kam etwas wie hündische Bettelei.
»Was haben Sie vor, Suleiman?« fragte er
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