Das Mädchen Ariela
heiser.
»Schließen Sie die Tür zu den Gärten auf«, sagte Suleiman barsch. »Wir wollen Ihren Harem besichtigen.«
»Suleiman!« Mit einem Sprung warf sich Mahmud vor die Doppeltür, die vom Salon direkt zu den Pavillons führte. Er breitete die Arme weit aus und reckte sich. »Der Harem ist das unantastbare Heiligtum des Mannes! Sie wissen so gut wie ich: Nur der Tod kann einen Blick in einen fremden Harem sühnen! Sie sind wahnsinnig, Suleiman!« Mahmud schrie, als Suleiman langsam näher kam und nahe vor ihm stehenblieb.
»Machen Sie die Tür auf!« sagte Suleiman kalt.
»Die Gesetze Mohammeds –«
»Wenn Sie nicht öffnen, lasse ich die Türen eintreten.«
»Meine Leute werden die Würde des Hauses –«
»Ich habe zwanzig Reiter bei mir. Muß ich Ihnen das Gesetz der Wüste zitieren, Mahmud? Der Starke hat recht … und ich bin der Starke!« Suleiman winkte. Vier Reiter der Arabischen Legion ergriffen Mahmud, rissen ihm die Arme nach hinten und preßten ihn mit dem Gesicht gegen die Wand.
»Ich werde es dem König berichten!« schrie Mahmud. Seine Stirn schlug gegen die Wand. »Ich werde ihm klagen, daß Sie das größte persönliche Heiligtum eines Mannes geschändet haben. Ich werde Klage im ganzen Land führen …«
»Sie sind ein armer Mensch, Mahmud«, sagte Suleiman ruhig. »Jeder Mensch ist arm, wenn er glaubt, klüger als sein Nächster zu sein. Sehen Sie, die Tote mit den Kleidern Narrimans kam aus Ihrem Harem. In das freigewordene Haus zog zwangsweise Narriman ein. Wollen Sie das bestreiten?«
»Das ist verrückt!« schrie Mahmud. »Das ist total verrückt.«
»Sie sind wirklich ein armer Mensch.« Suleiman trat an Mahmud heran und drückte seine Zigarette in Mahmuds Nacken aus. Es zischte und roch nach verbranntem Fleisch. Mahmud stieß einen grellen Schrei aus und kratzte mit den Zähnen über die Wand vor Schmerz und Grauen.
»Die Tür auf!« wiederholte Suleiman barsch. »Ich rede nicht länger mit einem Toten …«
Mit drei wuchtigen Schlägen der Gewehrkolben wurde die Tür zertrümmert.
»Allah verfluche dich!« schrie Mahmud und hieb mit dem Kopf gegen die Wand. »Und Allah verdamme dich in die tiefste Hölle!«
Dann brach er unter dem Griff der jordanischen Soldaten zusammen, fiel auf die Knie, und sein Kopf sank auf die Brust.
Er wußte, daß er für Suleiman schon nicht mehr zu den Lebenden zählte.
Im Pavillon zehn, den Suleiman ungehindert erreichte – die Eunuchen flüchteten an die Gartenmauern, als sie die Reiter der Arabischen Legion sahen –, fand er Narriman.
Sie lag, an Pflöcke gefesselt, nackt und mit blutigen Striemen bedeckt, auf dem Boden. Nur ein Seidenkissen unter ihrem Kopf erleichterte ihr die erniedrigende Lage. Sie sah Suleiman an, als er die Tür aufriß … es war ein langer, trauriger Blick, dann wandte sie den Kopf zur Seite und weinte erlöst.
Suleiman sprach kein Wort. Er kniete neben ihr, löste die Stricke, zog eine Seidendecke vom nahen Diwan und deckte sie über Narrimans mißhandelten und geschändeten Körper. Dann beugte er sich hinunter, küßte sie auf die blutig gebissenen Lippen und erhob sich stumm.
Als er in Mahmuds Salon zurückkehrte, war er ein anderer Mensch geworden. Er trat an den knienden Mahmud heran und stieß ihm die Schuhspitze in die Seite. Mahmud zuckte hoch, sein Kopf fiel nach hinten. Mit blutunterlaufenen Augen starrte er Suleiman an.
Der Blick, der ihm begegnete, war seelenlos, eisig, ausdruckslos wie das Auge eines Riesenfisches.
»Suleiman … lassen Sie sich alles erklären!« schrie Mahmud. »Ich flehe Sie an, mir fünf Minuten zuzuhören …«
Suleiman streckte stumm die Hand aus und zog dem ihm am nächsten stehenden Reiter die lederne Kamelpeitsche aus dem Gürtel.
»Auch moderne Völker pflegen ihre Tradition«, sagte Suleiman mit ruhiger Stimme. »Wissen Sie, wie man im alten Arabien Männer ihresgleichen bestrafte?«
Mahmud wollte etwas sagen, aber der erste Schlag ging quer über sein Gesicht, von der Stirn über Augen, Nase und Lippen und schlitzte eine blutige Rinne in die aufplatzende Haut.
Mit einem Schluchzen warf sich Mahmud auf das Gesicht und streckte sich, als läge er vor Allah im Staub, ein Sünder, der bekennt und auf Gnade hofft.
»Dreht ihn herum«, sagte Suleiman ruhig. »Dreht ihn auf den Rücken. Ich will seine Augen sehen, wenn ich mich mit ihm unterhalte.«
Mit einem Schwung rissen die Reiter Mahmud wieder auf den Rücken. Er zog die Beine an und vergrub das Gesicht
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