Das Mädchen Ariela
weglaufen, Narriman …«
»Dann nicht mehr …« Sie warf den Kopf zurück. Erschreckend schön sah sie aus, so wild und herrlich, daß es Mutes bedurfte, ihr nahe zu sein. »Wie könnten Sie weglaufen, Peter …«
Sie sahen sich eine Weile an, und in ihr war das Zittern eines reißenden Tieres, bevor es zuspringt und sich in die Beute gräbt. Vom Lastwagen der israelischen Mädchen klang Gelächter zu ihnen herüber.
»Es gibt Ariela«, sagte Schumann mit gepreßter Stimme.
Narriman lachte hysterisch. »Wo ist sie denn?«
»Hier.« Schumann sah auf seine Fesseln, die ihn mit Narriman verbanden. »Zwischen uns.«
»Sie Narr! Sie musterhafter Narr!« Narriman sprang auf und zerrte an den Fesseln. »Stehen Sie auf! Ich bringe Sie in den Schuppen und binde Sie fest! Dort können Sie schlafen oder von Ariela träumen oder über Ihr Schicksal klagen! Sie unheilbarer Narr!«
Sie zerrte ihn in den Schuppen, und hier, in der Dunkelheit, überkam sie Schwäche und Hingabe.
»Bin ich keine Frau?« flüsterte sie und grub die Hände in Schumanns Schulter. »Bin ich keine schöne Frau?«
»Sie sind eine Sünde, die jeder verzeiht!«
»Und Sie wollen schlafen?« schrie sie.
»Ja«, sagte Dr. Schumann. »Wir werden morgen lange in der Sonne stehen müssen, um über den Jordan zu kommen. Gute Nacht.«
Narriman band ihm Hände und Füße zusammen und ging hinaus. Vor dem Lastwagen der israelischen Mädchen warteten vier Soldaten. Da wandte sie sich brüsk ab, ging ein paar Schritte in den kargen Garten hinein, nahm eine irgendwo abgerissene Latte vom Boden und köpfte mit wilden Schlägen die wenigen Blumen, die an ihrem Weg blühten.
Wer nicht liebt, muß zerstören, dachte sie. Vielleicht bin ich zum Zerstören geboren … Und sie schlug die Blütenköpfe ab, als sei die Holzlatte ein Damaszenerschwert.
Oberst Golan war begraben worden.
Es war kein großes militärisches Schauspiel, obgleich man ihn einen Helden nannte. Stabschef Rabin und Verteidigungsminister Moshe Dayan gingen hinter seinem Sarg her und sprachen ein paar Worte, aber noch war der Krieg nicht gewonnen, wenn auch nach hundert Stunden überall die Waffen schwiegen. Die arabische Welt fühlte sich nackt und angespien … In New York, in der UNO, trafen die Staatsmänner zusammen, um in langen Stunden den Sieg der Israelis zu zerreden, Vorschläge zu machen, Hilfen anzubieten, zu drohen und zu vermitteln, Grenzen vorzuschlagen oder Neuordnungen anzuregen.
Niemand hatte sie darum gebeten, am allerwenigsten die Sieger im Heiligen Land. Aber wie eine Horde Geier stürzten sich die Diplomaten auf die Probleme, die sie nichts angingen, um sich und der Umwelt zu beweisen, daß man nicht deshalb in der UNO saß, um Spesen zu machen oder auf Banketten zu essen, zu trinken und zu tanzen.
Am Grabe Arnos Golans wiederholte Dayan, was die Welt schon wußte: »Wir geben Jerusalem nicht wieder her! Wir sind bereit, mit unseren arabischen Nachbarn über alles zu verhandeln, was dem Frieden dient. Dem dauerhaften Frieden! Zu ihm gehört Jerusalem als ganze, nicht mehr geteilte Hauptstadt Israels!«
»Dat war 'ne jute Rede!« sagte der Kölner Müller, als Reiseleiter Hopps, der Hebräisch verstand, die Ansprache Dayans am Grabe des Obersten Golan übersetzte. Die deutsche Reisegruppe saß im Schreibzimmer des King-David-Hotels und hörte aus dem Radio die neuesten Meldungen. Nach dem großen Sieg der kleinen Armee sah man keine Veranlassung mehr, sich nach Tel Aviv ans Meer zu begeben. Das Programm würde in ein oder zwei Tagen weiterlaufen. Die heiligen Stätten gab es noch, und ein paar Trümmer mehr fielen nicht auf. Man wartete also ab und ließ sich mitreißen von dem Jubel, der überall in Jerusalem herrschte. Theobald Kurzleb vom Titisee war es sogar passiert, daß ihm bei der Nachricht von der Feuereinstellung an allen Fronten ein völlig fremdes israelisches Mädchen um den Hals fiel und ihn glühend küßte.
»Israel ist schön, es ist wunderbar!« trug er in sein Tagebuch ein. Dann machte er hinter das letzte Wort drei Ausrufezeichen, um sich dadurch auch in späteren Jahren noch an diese Minute zu erinnern. Immerhin war Kurzleb sechzig Jahre alt. Da ist ein Mädchenkuß schon wie ein Donnerschlag im Herzen.
»Den Dayan sollten sie nach Berlin schicken!« rief Müller XII, als die Übertragung zu Ende war. »Panzer vor … durch die Mauer … Parademarsch Unter den Linden. Und dann: Berlin ist und bleibt die Hauptstadt, Himmel – Kinder, wenn man
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