Das Mädchen Ariela
sich dat so vorstellt … Ein toller Knabe!«
»Ich denke, Sie mögen die Israelis nicht?« sagte der junge Freitag.
»Ja, wer sagt denn das?« Willi Müller XII aus Köln lehnte sich zurück. »Nun ja, man hat so seine Vorurteile. Die alten Bilder spucken im Jehirn herum … is ja alles überholt! Hier sieht man's ja. Das ist ein anderes Volk. Die haben Mumm! Die haben Rommeljeist! Die sind die Preußen des Orients! Meine Lieben, immer jerecht sein! Immer ehrlich! Ich bin ein moderner Mensch …«
Freitag kannte sich nicht mehr aus. Er sah hilflos zu Drummser, der Bilder in einer israelischen Illustrierten betrachtete.
»Was sagen Sie?« fragte er.
»A Brauerei sollt ma baun!« sagte Drummser. »Dös wär a nutzvolle Entwicklungshülfe. A Hofbräuhaus in Jerusalem … dös gab a Luftbrückn zwischen München und Israel. Aba die in Bonn, die schlafen ja …«
Die Begeisterung Willi Müllers aus Köln hielt an. Mit dem einem Rheinländer eigenen Sinn für Humor und Karneval kaufte er sich eine israelische Fahne und zog, den Davidstern schwenkend, mit der Menge im Siegestaumel durch die Straßen Jerusalems. Er nahm dazu Drummser, Freitag und Kurzleb mit, wobei Kurzleb besonders begeistert mitmarschierte und vor jedem hübschen israelischen Mädchen die Arme ausbreitete. Es fehlte nicht viel und Müller hätte einen Aufmarsch organisiert wie nach einer gewonnenen Deutschen Meisterschaft des FC Köln. Man hatte drin Übung: bunte Hütchen, Kindertrompeten, Rasseln und Fähnchen. Nur weil die beiden Studienräte und die Sozialfürsorgerin nicht mitmachten, platzte der deutsche Aufmarsch. Die drei Ordensschwestern waren sowieso ungeeignet dafür.
So ging eine Woche dahin. »Wir bleiben in Jerusalem«, sagte Reiseleiter Hopps nach einer Rückfrage in Tel Aviv. »Die heiligen Stätten sollen in Kürze nach Räumung der Trümmer und dem Wegschaffen der Toten wieder zur Besichtigung freigegeben werden. Es geht jetzt formloser. Jerusalem ist israelisch. Es wird ein normaler Stadtbummel werden, nicht mehr die Einreise in ein arabisches Land, von dem es keine Rückkehr nach Israel gibt. Dafür streichen wir die Ausflüge nach Beersheba und die Negevroute nach Eilat. Aber ich glaube, daß uns die Wirkungsstätten Christi mehr interessieren als die Korallenbänke im Roten Meer oder die Kupfergruben Salomons.«
Die Studienräte stimmten zu, obgleich ein gutes Aufsatzthema für die Obertertia verlorenging. Die drei Schwestern nickten stumm. Das Grab des Herrn … mehr wollten sie nicht sehen.
Der geänderte Plan war gut.
Sie erlebten so etwas wie die Geburt einer neuen jüdischen Nation. Sie standen mit Tausenden von jubelnden Menschen an der Demarkationslinie, als riesige Bulldozer die Betonmauern einrissen, die achtzehn Jahre lang das Herz Jerusalems umschlossen. Sie klatschten Beifall, als sie Moshe Dayan sahen, und Willi Müller sagte aus alter Erfahrung: »Dat jibt nächstes Jahr 'ne Karneval in Köln! Da kannste tausend Jungs mit 'ner Aujenklappe sehen. Und der Röttjes-Hein wird singen: ›Dat eine Aug liegt in der Wüste, dat andere, dat liegt im Rhein … ‹ Bravo! Bravo!« Und er schwenkte seine israelische Fahne.
Ariela war aus dem Krankenhaus entlassen worden. Man brauchte die Betten für Schwerverwundete, die jetzt von allen Fronten heran gefahren wurden, nachdem sie in den Feldlazaretten operiert wor den waren.
Mit nichts als einer neuen Uniform und einem Urlaubsschein von der Armee bis zur völligen Genesung und dem Befehl, sich nach Anordnung des Arztes ambulant behandeln zu lassen, stand sie auf der Straße. Um sie herum brandete der Jubel des Volkes. Die von Bomben und Granaten zerstörten Häuser wurden aufgeräumt oder abgerissen. Maurerkolonnen zogen in die beschädigten Stadtviertel, Lastwagen und Bagger räumten die Trümmer weg, die Cafes waren alle wieder geöffnet, im Stadtpark flanierten abends wieder hübsche Mädchen.
Ariela hielt sich nur kurz in der leeren Wohnung ihres Vaters auf. Die Haushälterin, die Oberst Golan angestellt hatte, war schon am ersten Tag des Krieges freiwillig in ein Lazarett gegangen. Die Schlüssel hingen an einem Nagel neben dem Kasten mit dem Elektrozähler. Staub lag über den Möbeln und auf dem Boden, zwei Fenster waren zerbrochen, durch die der Wind den Schmutz hereintrug.
Langsam ging sie durch alle Räume, zog mit dem Zeigefinger eine Straße durch den Staub auf Tischen und Schränken und blieb in dem Zimmer stehen, in dem Oberst Golan gearbeitet hatte.
Der
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