Das Mädchen Ariela
im Heiligen Land auf, gab es keine Über raschung mehr. Jetzt wartete man auf die Israelis. Man wußte – wurde das Signal zum Krieg gegeben, so kamen sie, und alles war zum Empfang vorbereitet.
Dr. Schumann kroch aus seinem Nachtlager hervor. Der Schlaf auf der Erde hatte ihn weniger mitgenommen, als er geglaubt hatte. Auch auf staubigem Boden läßt sich gut schlafen, wenn der Körper die Ruhe braucht.
Nun unterschied er sich kaum noch von den Arabern. Durch die Staubschicht auf seinem Gesicht drückten sich die Bartstoppeln, und in acht Tagen würde er einen richtigen Bart haben, der sein Gesicht völlig veränderte. Dann wirkte er wie ein Beduine, der aus der Weite der Wüste am Wadi Hauran in die Hauptstadt des Königs gezogen war, um gegen handgewebte Teppiche aus Kamelwolle Munition für die langen, alten Gewehre einzutauschen, mit denen schon die Großväter geschossen hatten.
Tagsüber wimmelte es in den Straßen Ammans von Menschen wie in allen orientalischen Städten. Aber man sah jetzt kaum noch Europäer. Ein paar Autos mit der Rotkreuz-Fahne fuhren herum, sonst aber blieben die Ausländer in ihren Häusern oder hatten in den Botschaften und Konsulaten Schutz gesucht. Der arabische Nationalismus war wie ein Feuer. In ihm verbrannte in diesen Tagen alles, was nicht zu Mohammed betete. Der Heilige Krieg gegen die Juden war zu einer Blamage geworden; von den Großmächten fühlten sich die Araber verraten und verkauft. Dieselben Staaten, die ihnen Waffen und Panzer geliefert hatten, benahmen sich in den Stunden der Not wie die drei heiligen Affen: nichts sehen, nichts hören, nichts sagen. Vor dem Hotel Philadelphia, einem Luxusbau mit Klimaanlagen, Schwimmbad, Nachtlokalen und einem Garten, von dessen Terrassen man zum Römischen Theater sah, blieb Dr. Schumann stehen. Der Portier stand gelangweilt in der gläsernen Tür. Es gab nichts zu tun. Die Hotels waren fast leer. Ein paar Journalisten lungerten herum, aber was kann man schon an Journalisten verdienen? Die reichen Gäste, die internationalen Geschäftsmänner und Ölkaufleute, die Exporteure waren wie die Zugvögel weggezogen. So wie ein Vogelschwarm sich in den Himmel hebt, wenn es knallt, waren sie davongestoben.
Neben dem Hotel war eine Holzwand mit einem großen Stadtplan von Amman. Er war in englischer Sprache, und Dr. Schumann studierte ihn genau. Es war die Bekanntschaft mit einer Stadt, aus der er vielleicht erst in Wochen herauskam.
Straße für Straße betrachtete Dr. Schumann. Die öffentlichen Gebäude waren eingezeichnet, die Sehenswürdigkeiten, die staatlichen Stellen, die ausländischen Vertretungen.
Dr. Schumann sah auf ein schwarzes Rechteck im Süden der Stadt. Etwas seitlich der Straße nach Akaba lag es. Italienisches Krankenhaus stand da. Auf der anderen Seite der Straße ein anderer schwarzer Fleck. Römisch-katholische Kirche.
Das Viertel der Christen?
Ich muß es versuchen, dachte er. Es wird doch möglich sein, einen einzelnen Menschen zu verstecken. Und wo ist das einfacher als in einem Krankenhaus? Ein Bett auf der Isolierstation … es gibt kaum einen Ort, der sicherer ist.
Er machte sich auf den Weg, wanderte durch die Stadt, schob sich durch enge Gassen. Er hatte Hunger. Vor dem Italienischen Krankenhaus, einem imponierenden Bau, blieb er stehen und überlegte, wie er es betreten sollte … so, wie er jetzt war, als schmutziger Araber … oder in Hose und Hemd, die er unter der Dschellabah trug. Er beschloß, so zu bleiben wie er war, denn es war nicht auszuschließen, daß Geheimpolizisten, von Narrimans Auftraggebern alarmiert, alle Gebäude und vor allem die Botschaften und Konsulate bewachten, um Dr. Schumann zu ergreifen, wenn er dort Schutz suchte.
In der weißen Eingangshalle kam ihm eine Schwester entgegen und musterte ihn kritisch. Dr. Schumann nickte ihr zu und sagte auf italienisch: »Guten Morgen, Schwester. Würden Sie mich bitte zum Chefarzt führen. Doktor Schumann, ein Kollege.«
Die Schwester hob die Schultern und antwortete auf arabisch. Als sie sah, daß der schmutzige Kerl, der da von der Straße gekommen war, sie nicht verstand, zeigte sie auf eine Steinbank an der Wand, machte eine Bewegung, die zum Sitzen aufforderte, und verschwand hinter einer Tür.
Dr. Schumann saß fast eine Stunde geduldig auf der Bank.
Krankenhaus, dachte er. Ob in Europa oder im Orient, es ist anscheinend überall gleich. Man muß warten. Und manchmal wird man sogar vergessen, oder die Schwester sagt nach
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