Das Mädchen Ariela
Ägypterinnen, mandeläugige Sudanesinnen und zwei Weiße. Tscherkessenmädchen mit einer Porzellanhaut. Sie wissen doch, daß im 19. Jahrhundert einige Tscherkessenstämme aus Rußland in die Gegend von Amman flüchteten. Die Nachkommen haben sich erstaunlich rein erhalten.«
Narriman lachte, als Schumann sich mit bebenden Fingern über die Stirn strich. »Mahmud ist ein Feinschmecker, was Frauen betrifft. Zuerst hat er sich verständlicherweise geweigert, eine Jüdin in seinen Harem aufzunehmen – aber als er Ariela sah, geriet er in helle Begeisterung.«
Dr. Schumann wirbelte herum. »Was haben Sie mit Ariela gemacht?« schrie er. »Was haben Sie Satan mit ihr angestellt?«
»Ich? Nichts!« Narriman winkte Sadouk zu. Der Glatzköpfige hielt die mit Goldverzierungen geschmückte Tür auf. »Kommen Sie, Doktor. Obgleich Mahmud Ihnen den Tod geschworen hat, denn Sie haben sein Gesicht wirklich übel zugerichtet, wäre er vielleicht im Interesse seines Vaterlandes bereit, Ariela nicht zu seiner einundzwanzigsten Frau zu machen, wenn Sie auf unsere Bedingungen eingehen …«
»Sie sind ein Teufel!« knirschte Schumann. »Ist das Ihre Rache an Ariela?«
»Vielleicht!« Narriman warf den Kopf in den Nacken. »Ich hatte Sie gewarnt, Doktor. Man läßt eine Frau wie mich nicht um ein bißchen Liebe und Zärtlichkeit betteln und rennt dann weg!«
Sie gingen durch eine Flucht von Zimmern, durchschritten einen kleinen Garten und betraten einen der entzückenden Pavillons, die Mahmud für jede seiner Frauen hatte bauen lassen. In jedem der zwanzig Gärten wuchsen andere Blumen, die Lieblingsblumen der Bewohnerin.
Durch einen Schleiervorhang, der eine Bogentür abteilte, sah Schumann in einem Nebenraum einige Frauen in durchsichtigen Gewändern. Sie lagen auf seidenen Diwans und lachten. Irgendwoher erklang Musik. Eine schlanke Frau tanzte in der Mitte des Raumes, wie Schlangen bewegten sich ihre Arme und Hände.
Neben diesem Raum war ein großes Gartenzimmer mit geschnitzter Decke und bemalten Wänden. Eine Säulenterrasse führte in den kleinen Park, über dessen Blütenbüsche jetzt der fahle Mondschein glitt.
Ariela stand in der Mitte des Zimmers und wehrte Mahmud ab, der atemlos nach ihren Schultern griff und ihre Bluse herunterzureißen versuchte. Sie trat nach ihm, sie schlug mit beiden Fäusten auf seine Hände, und in ihren Augen standen neben wilder Entschlossenheit auch Angst und grenzenloses Entsetzen.
Dr. Schumann stürzte vor, aber Narriman hielt ihn mit beiden Händen zurück, zerrte an seinem arabischen Mantel und stieß ihn gegen die Wand.
»Seien Sie kein Held, Doktor!« keuchte sie. »Ich wußte nicht, daß Mahmud unsere Abmachungen bricht. Er hatte versprochen, Ariela nicht eher anzurühren, als bis zwischen uns alles geklärt ist. Er hat gelogen. Er wird dafür bestraft werden! Das verspreche ich Ihnen …«
Dr. Schumann hörte aus dem Zimmer einen spitzen Schrei. Ihm folgte ein tiefes Lachen. Da stieß er Narriman vor die Brust, zum erstenmal vergriff er sich an einer Frau und schlug zurück, als sie ihn erneut festhalten wollte.
»Ariela!« schrie er. Mit beiden Händen riß er den Vorhang von der Tür und stürzte ins Zimmer. Mahmud ließ sofort von Ariela ab. Er hatte sie in eine Ecke gedrängt und riß gerade trotz ihrer Schläge an dem Gürtel ihrer Khakihose, als er die Stimme Schumanns hörte. Wie ein Raubtier warf er sich herum und spreizte die Finger.
»Du weißer Hund!« sagte er dumpf. »Du kommst zehn Minuten zu früh. Aber nun komm! Komm!« Er winkte. Sein aufgeschlagenes Gesicht wirkte fratzenhaft. »Du wirst das Vergnügen haben, mitanzusehen, wie ich deinem Vögelchen die Flügel breche …«
Es gibt Augenblicke im Leben, Minuten oder auch nur Sekunden, von denen man später nicht mehr weiß, was in ihnen geschehen ist.
Auch für Dr. Schumann gab es diese Sekunden, die nachher in der Erinnerung fehlten. Er dachte erst wieder bewußt, als ihn die Detonation eines Schusses zur Klarheit zurückführte.
Ariela stand hinter ihm und klammerte sich an ihm fest. Ob er zu ihr hingesprungen war, wie er Mahmud umgangen hatte – er wußte es nicht. Er sah jetzt nur, daß Narriman mit einer Pistole in der Hand noch immer in der Tür stand und Mahmud zu den Säulen zurückgewichen war. Im Hintergrund trieb Sadouk die kreischenden Frauen weg. Ihr Geschrei erstarb hinter dicken Türen.
»Sind Sie wahnsinnig?« rief Mahmud und starrte auf das Loch, das die Kugel in das Mosaikparkett
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