Das Mädchen Ariela
Wirksamkeit nach zwei Stunden außerhalb der Körpertemperatur. Sie vertragen weder Hitze noch Kälte. Die Bombe nützt Ihnen also gar nichts, wenn der Wind den Bakterienschleier in die Wüste oder übers Meer bläst. Dort zerfallen die Bakterien sofort. Um sie wärme- und kälteresistent zu machen, können Jahre vergehen.«
»Bitte. Den Zeitpunkt der Einsatzreife bestimmen Sie, Doktor. Je länger Ihre Forschungen dauern, desto länger sind Sie unser Gast.« Suleiman war ein höflicher Mensch. Er legte Schumann sogar den Arm um die Schulter wie einem guten Freund. »Aber bedenken Sie: Ariela ist ein Geschöpf dieses Landes. Sie ist in der Blüte ihrer Jahre. Mit zweiundzwanzig ist die Frau des Orients eine voll entfaltete Rose, die des Taus bedarf, um zu duften und sich frisch zu halten. In der Hitze der Wüste zählen die Jahre doppelt und dreifach. Sie sollten mit Ariela reifen und älter werden, Doktor, nicht neben Ariela. Ich habe Ihnen versprochen: Wenn Sie mir die fertige Bombe bringen, werden meine Leute vor Ihren Augen die Trennwand in Ihrem Zimmer niederreißen.«
»Und wenn ich mich weigere?« schrie Schumann.
»O bitte, fangen Sie nicht wieder davon an!« Suleiman lächelte breit. »Die Phantasie eines Orientalen ist in solchen Fällen wie ein blühender Garten voll giftiger Gewächse …«
»Fangen Sie an, Doktor!« Herbert Frank stieß Schumann mit dem Ellbogen in die Seite. »Ich kenne Ihre Ariela nicht, aber wenn sie ein Mädchen ist, für das es sich lohnt zu leben, dann schlagen Sie Ihr Gewissen tot, erdolchen Sie Ihre Moral, ersäufen Sie Ihre Menschlichkeit … Sie leben nur einmal, und man sollte dieses einmalige Leben nicht einfach verschenken.« Herbert Frank drehte sich zu Suleiman um. Seine trunkenen Augen glotzten aus einem zerstörten, vom Alkohol jetzt geröteten Gesicht. »General Hussein ben Suleiman, Sie Sandfloh mit dem Gehirn eines Vampirs«, schrie er und knallte die Hacken zusammen, »Doktor Schumann wird die Bombe mit mir konstruieren zum Segen der Menschheit! Gut so?«
Suleiman wandte sich ab und ging.
Eine Stunde später fuhren wieder zwei geschlossene Wagen die staubige Straße zurück nach Amman.
Die Wüste war rot, die Sonne ging unter.
Herbert Frank hatte das Gesicht gegen die Scheibe gepreßt und starrte in das Abendrot.
»Wieder ein Tag um!« schrie er gegen die Scheibe. »Ich habe weitergelebt.«
Er sank zurück und ließ den Kopf an Schumanns Schulter sinken.
»O Mann, hab' ich einen Durst«, sagte er.
Im Garten des Hauses auf dem Dschebel El Luweibida stand Mah mud ibn Sharat an der Mauer und hielt beide Arme vor sein Ge sicht. Mit einem Stock, den sie von einem Rosenbäumchen abgerissen hatte, schlug Ariela auf ihn ein, kreuz und quer, ohne Rücksicht. Mahmud gab keinen Laut von sich, aber er glühte innerlich vor Scham und Zorn.
Er hatte Ariela aufgelauert, als die beiden Wagen weggefahren waren. Von Narriman wußte er, daß man nach Madaba fuhr und daß es Stunden bis zur Rückkehr dauern konnte. Das gedachte er auszunutzen. Er fiel über Ariela her, als sie sich auf einem Liegestuhl im Schatten eines Ölbaumes niedergelassen hatte. Unter dem Aufprall seines Körpers brach der Stuhl zusammen, sie stürzten auf den weichen Grasboden und rangen miteinander, wälzten sich hin und her, stießen gegen die Mauer, kämpften verbissen und stumm.
Wie es Ariela gelang, sich aus Mahmuds Griff zu befreien und schnell davonzulaufen, wußte sie nachher nicht mehr. Aber dann hatte sie den Stützstock des Rosenbäumchens in den Händen und schlug auf Mahmud ein, trieb ihn an die Mauer und ergriff ein Messer, das er aus seinem Gürtel verloren hatte, als er auf dem Rasen mit ihr rang.
Mahmud ließ die Arme sinken, als die Schläge plötzlich aufhörten. Dafür sah er Ariela nahe vor sich, ein wildes Gesicht, voll Staub und Schweiß, darüber den ungebändigten kupfernen Haarschopf.
Mahmud griff an seinen Gürtel. Aber dann durchzuckte ihn ein Schmerz. Ariela hatte zum erstenmal zugestochen. Blut lief über seinen Handrücken. Fast erstaunt sah er ihn an … er war aufgeschlitzt wie ein Fischbauch.
»Bist du verrückt?« rief Mahmud mehr verwundert als wütend. »Leg das Messer weg …«
»Wir sind im Nahkampf ausgebildet worden!« Ariela keuchte. Ihr Haß, ihre Angst und ihre Entschlossenheit, das zu tun, was notwendig war, ließen Mahmuds Kopf vor ihren Augen hin und her schwanken wie eine große Sonnenblume im Wind. »Ich habe es geübt, an Sandsäcken, wie man mit
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